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September  23
 

Otto und der Regenbogen


 
Otto schreit ... innerlich. Laut darf er ja nicht, es wäre ein eher jammerndes Schreien geworden. Denn Otto hatte gerade ein Gefühl in sich entdeckt.

Leichte Panik steigt in ihm hoch. Ein Gefühl ... in ihm. Kann nicht sein. DARF nicht sein.

"Ich bin ein Mann" brummelt er halb in den Spiegel und halb zu sich selbst.

Sein Gedächtnis liefert ihm schnell Sätze wie "Indianer haben keinen Schmerz" und "Männer weinen nicht".

Und doch stehen ihm gerade Tränen in den Augen ... die er mit einem "scheiss Regenbogen" wegzuschreien versucht.

Otto verflucht es, am Fenster gestanden und diesen Regenbogen so lange angeschaut zu haben. Dabei wurde es ihm so ... anders. So wie noch nie vorher. Das Bild war, obwohl er es nicht wollte, noch immer vor seinen Augen.
Diese unbeschreibliche Schönheit der Landschaft, die Farben des Regenbogens, das Licht der wieder scheinenden Sonne. Alles so friedlich, so hell, so hoffnungsvoll. Einfach zum Heul.. ... NEIN, das darf nicht sein.

"ICH DARF NICHT HEULEN, ICH BIN KEINE MEMME" schreit er das Fenster an. Als ob das etwas dafür könnte.
Als wenn das Schreien in verausgabt hat, sinkt er auf den Stuhl und in sich zusammen.

"Wenn wenigstens meine Mutter gestorben wäre" das wäre ein Grund zum Weinen. Oder wenn eine Freundin ihm den Laufpass gibt. Da darf man auch mal ... aber nur kurz. Eigentlich darf ein Mann gar nicht weinen, besaufen ist besser und erlaubter. Wer dann besoffen weint, weiß es am nächsten Tag wenigstens nicht mehr.

Otto geht an den Schrank und holt die Whiskyflasche. Ihm ist, als würde sich im Glas der Flasche ein Regenbogen spiegeln.

Er gießt ein ... doch bevor er den ersten Schluck nimmt, hält er inne und stellt das Glas wieder auf den Tisch. Und weint erneut ... diesmal, weil er sich leid tut. Weil er es nicht schafft, dieses Gefühl wegzusaufen.

Denn ... irgendwo tief in ihm ... will dieses Gefühl sein Freund werden will. Als wenn es zu ihm sagt "hey, ich bin dein Freund, ich bin du".

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Diese Geschichte ist allen Männern und ihren entdeckten Gefühlen gewidmet.

Allen Männern, die lange gelehrt wurden, dass sie keine zu haben hätten. Und die irgendwann festgestellt haben, dass tief in ihnen etwas ist, dass sie nicht mit dem Satz "ich bin doch ein Mann" wegradieren können.

Allen Männern, die gelernt haben, sich diese Gefühle zu erlauben oder dies gerade lernen.


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Inspiriert ist diese Gedichte durch einen so schönen wie nachdenklichen Gästebucheintrag eines Mannes mit den Worten

"Danke für Deine wunderbare Seite - Da traue ich mir richtig Gefühle zuzulassen. Danke"

Ich hab zu danken !!

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Und hier der Regenbogen als Desktopmotiv, von mir
am 26. Mai 2002 in der Nähe von Ramstein fotografiert.



[ wer dieses Bild als Desktopmotiv will, einfach draufklicken ]

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Klaus hat sich gemeldet :)) --
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Ich grüße heute die Stadt Gaggenau :)).





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