Otto schreit ... innerlich. Laut darf er ja
nicht, es wäre ein eher jammerndes Schreien geworden. Denn Otto hatte
gerade ein Gefühl in sich entdeckt.
Leichte Panik steigt in ihm hoch. Ein Gefühl ... in ihm. Kann nicht
sein. DARF nicht sein.
"Ich bin ein Mann" brummelt er halb in den Spiegel und halb zu sich
selbst.
Sein Gedächtnis liefert ihm schnell Sätze wie "Indianer haben keinen
Schmerz" und "Männer weinen nicht".
Und doch stehen ihm gerade Tränen in den Augen ... die er mit einem
"scheiss Regenbogen" wegzuschreien versucht.
Otto verflucht es, am Fenster gestanden und diesen Regenbogen so lange
angeschaut zu haben. Dabei wurde es ihm so ... anders. So wie noch nie
vorher. Das Bild war, obwohl er es nicht wollte, noch immer vor seinen
Augen. |
Diese unbeschreibliche Schönheit der
Landschaft, die Farben des Regenbogens, das Licht der wieder
scheinenden Sonne. Alles so friedlich, so hell, so hoffnungsvoll.
Einfach zum Heul.. ... NEIN, das darf nicht sein.
"ICH DARF NICHT HEULEN, ICH BIN KEINE MEMME" schreit er das Fenster
an. Als ob das etwas dafür könnte. |
|
Als wenn das Schreien in
verausgabt hat, sinkt er auf den Stuhl und in sich zusammen.
"Wenn wenigstens meine Mutter gestorben wäre" das wäre ein Grund zum
Weinen. Oder wenn eine Freundin ihm den Laufpass gibt. Da darf man
auch mal ... aber nur kurz. Eigentlich darf ein Mann gar nicht weinen,
besaufen ist besser und erlaubter. Wer dann besoffen weint, weiß es am
nächsten Tag wenigstens nicht mehr.
Otto geht an den Schrank und holt die Whiskyflasche. Ihm ist, als
würde sich im Glas der Flasche ein Regenbogen spiegeln.
Er gießt ein ... doch bevor er den ersten Schluck nimmt, hält er inne
und stellt das Glas wieder auf den Tisch. Und weint erneut ...
diesmal, weil er sich leid tut. Weil er es nicht schafft, dieses
Gefühl wegzusaufen.
Denn ... irgendwo tief in ihm ... will dieses Gefühl sein Freund
werden will. Als wenn es zu ihm sagt "hey, ich bin dein Freund, ich
bin du".
--
Diese Geschichte ist allen Männern und ihren
entdeckten Gefühlen gewidmet.
Allen Männern, die lange gelehrt wurden, dass sie keine zu haben
hätten. Und die irgendwann festgestellt haben, dass tief in ihnen
etwas ist, dass sie nicht mit dem Satz "ich bin doch ein Mann"
wegradieren können.
Allen Männern, die gelernt haben, sich diese Gefühle zu erlauben oder
dies gerade lernen.
--
Inspiriert ist diese Gedichte durch einen so
schönen wie nachdenklichen Gästebucheintrag eines Mannes mit den
Worten
"Danke für Deine wunderbare Seite - Da traue ich mir richtig Gefühle
zuzulassen. Danke"
Ich hab zu danken !!
--
Und hier der Regenbogen als Desktopmotiv, von mir
am 26. Mai 2002 in der Nähe von Ramstein fotografiert.
[ wer dieses Bild als Desktopmotiv
will, einfach draufklicken ]
--
Klaus hat sich gemeldet :)) -->
--
Ich grüße heute die Stadt
Gaggenau :)).
Wunderkiste
Lichtblick
--
zurück zur
Kalenderblatt-Hauptseite
Kalenderblatt-Archiv |
|