Home

Oktober  8
 

Nichtbücherwürmer


Liebe Nicht- oder Wenigleser, heute geht um wieder ums Lesen, aber diesmal um die Menschen, die wenig oder keine Bücher lesen ... also um die Nichtbücherwürmer.

Diese frevelhaften mit dem Klammerbeutel gepuderten Zeitgenossen, an denen die klassische wertvolle Literatur vorbeigegangen ist. Wie bei mir z.B. ;).

Die Kommentare gestern waren reichlich, doch die Wort zu meinen Kommentaren über die Bücher waren spärlich. Einige haben sich amüsiert, wahrscheinlich auch so Kulturbanausen wie ich ;)). Aber der Guido hat es auf den Punkt gebracht, er schrieb:
 
"... nich böse sein, aber deine kommentare zu Weltliteratur sind erschreckend ..."

Claire meint
"ps: engelbert, ich find dich wirklich toll, aber deine kommentare zu den büchern sind ein graus!"

Aber immerhin hatten sie Groß- und Kleinschreibung *fg*.

Nee, ich bin nicht böse, im Gegenteil. Und ich finde auch Euch toll. Ich hab sowas erwartet und danke Euch für den Mut, das zu sagen, was andere bestimmt auch gedacht haben, aber sich nicht trauten, es zu schreiben.

Ja, ich bin ein unbelesener Mensch, aber kein unbeschriebenes Blatt.
Ja, ich dichte, ohne die großen Dichter und Denker gelesen zu haben.
Ich schreibe hier gerade schon wieder, ohne den Herrn Dollstoi zu kennen.

Wann begegnet man denn zum ersten Mal den Klassikern der Literatur ?
Meistens doch in der Schule und bei Interesse in der Bücherei.
Oder der Opa hat ein großes Bücherregal.

Ich hatte keinen Bücheropa, nur eine Arbeitermami.
Die hatte für's Lesen keine Zeit und Muße.
Bei uns lag die Tageszeitung auf dem Tisch und ab und zu die Frau mit dem Herz oder das goldene Blatt daneben.

Die ersten Lesungen sind oft Zwangslesungen, der Lehrer sagt "heute lesen wir blablabla"
und die Schüler machen "ööööhhmmm brummmel grummel*.

Und dann wird gelesen, was den Schüler bildet. Und ihn langweilt.
Nicht immer ist das so, es gibt bestimmt auch gute, anspruchsvolle und zugleich kurzweilige Bücher,
die in der Schule gelesen werden.

Mir selbst ist außer dem Katechismus kein Buch in Erinnerung, das ich in der Schule gelesen habe(n) musste.
Ich war allerdings nicht auf dem Schümnasium und auch nicht auf der Realschule.

Nicht wegen Dummheit, sondern wegen Angst, aber das ist eine andere Geschichte.
Ich war "nur" in der Volksschule und danach in der Handelsschule,
korrekterweise "zweijährige Berufsfachschule".

Dort gabs dann aber das verdammte Bussinessenglisch und keine russischen verstorbenen Schreiberlinge.

Ich habe nie Goethe, Schiller, Lessing, Tolstoi gelesen. Und ich lebe trotzdem.
Ich habe den Bohlen angefangen zu lesen (und dann hat sich das Buch irgendwo verkrümelt),
ab und zu lese ich die Bildzeitung und bei der Tageszeitung lese ich lieber die letzte "bunte" Seite.

Ich muss ein Mensch mit wenig Niveau und einem engen Horizont sein.
Mag durchaus sein, denn ich gebe zu, dass Lesen den Horizont erweitert. Denn in jedem Buch lerne ich ja Menschen kennen. Mit jeder Zeile entstehen in meinem Kopf Bilder, denen ich sonst nie begegnet wäre. Ein Buch erweitert das Denkvermögen, gibt Impulse und lehrt einen. Ein Buch beflügelt die Phantasie und das muss nicht auf triviale oder kitschige Weise passieren. Das ist einfach wunderbar. Diese positiven Dinge sollten doch jedem widerfahren.

Doch vor jedem Ding stehen die technischen Möglichkeiten als Schranke. Nicht jeder KANN Bücher lesen.

Man braucht dazu:

Augenlicht ... was bei allen, die diese Zeilen hier lesen, ja vorhanden ist.

Interesse ... da wirds schon schwieriger. Interesse für anspruchsvolle Literatur ist bei Jugendlichen ja nicht automatisch vorhanden. Aber es könnte geweckt werden. Wenn sich denn diese Bücher angenehm lesen lassen. Vielleicht gibt es ja ein paar solche, aber viele der alten Schinken sind doch sehr zäh zu lesen.

Was machen wir nun mit denen, die "oooh wie langweilig" denken und dann sich mit oder ohne Ausreden vom Buch entfernen. Da kannse nix machen, wenn du jemand zu Höherem zwingst, dann wird noch weniger daraus. Nicht jeder hat den Background einer lesenden Familie. Nicht jeder hat die Bildung um sich rum und auch nicht jeder hat genügend eigene Intelligenz, um dem anspruchsvollen geschriebenen Wort überhaupt folgen zu können. Und nun das Wichtigste:

Konzentration ... man muss sich konzentrieren können. Viele können das gar nicht und wären die Augen noch die Zeilen entlang wandern, sind die Gedanken schon auf der Wiese, im Wald oder an der Bar.

Als ADHS-Mensch hab ichs mit Lesen sowieso nicht. Bin ich unten auf der Seite, weiß ich nicht mehr, was oben war. Schon längst gedanklich abgedriftet. Ich kann im Prinzip nicht lesen, wegen mangelnder Konzentration ... lange kleingeschriebene Texte gehen fast gar nicht. Am besten noch Kurzgeschichten, aber sie müssen spannend sein, sie müssen es schaffen, mich gedanklich zu fesseln.

Was ich in meinem Leben gelesen habe, ließe sich bequem aufzählen, wenn ich denn die Bücher noch wüsste. Lange Zeit war ich Stammgast in der Bücherei. Ich lieh mir die Bücher aus und brachte sie ungelesen wieder zurück. Als Dank zahlte ich manchmal sogar Mahngebühr ;).

Bücher, die mir im Kopf hängen geblieben sind:

Telefonbuch: da habe ich oft drin gelesen, aber das zählt wahrscheinlich nicht, ist auch recht wenig spannendes Buch

Konsalik, die Verdammten der Taiga: das war ein richtig spannendes Buch, wo auf jeder Seite etwas Neues, Unvorhergesehes passierte. Das habe ich geschafft, zu Ende zu lesen.

Heinz Körner, Johannes: das Buch ist sehr dünn und lässt sich leicht lesen. Da ich mich in Teilen wieder erkannt habe, war das sogar faszinierend zu lesen. Nur könnte ich jetzt nicht mehr sagen, um was es in dem Buch ging.

Perry Rhodan und Ren Dhark habe ich gelesen, den Ren habe ich sogar verschlungen. Aber das waren ja Romane, die nicht bildeten, sondern "nur" eine Fahrkarte in eine Traumwelt waren. Überhaupt habe ich am ehesten Science Fiction gelesen. Diese Bücher entsprachen meinem Flüchten aus dieser wertvollen, pflichtbewussten Schubladenwelt.

Eine Schublade heißt übrigens "hast du wertvolle Bücher gelesen ?".


Nachbemerkung: diese Zeilen sind keine Schelte an die Belesenen, sind kein Freibrief für das Bildzeitungsniveau. Ich will einfach nur vermitteln, das Lesen eine wunderbare horizonterweiternde Sache ist. Für den, der es gerne tut, für den, der es tun kann.

Die, die nicht lesen wollen, die sogar (oh sodom und gomorrha) die Bildzeitung lesen. Die das goldene Blatt abonniert haben und über die Witze in der Bäckerzeitung herzhaft lachen können ... sind auch Menschen. Sie sind unbelesene Menschen, aber sie machen die besten Kräuterwickel für verspannte Lesenacken, bauen herrliche Bücherregale und servieren den besten Kaffee, den es gibt. Da lacht der Leser, dass ihm so viel Gutes widerfährt :).

Es gibt vieles, das nicht weniger oder mehr wertvoll ist als Bücher. Wer den ganzen Tag liest, hat keine Zeit, die Dinge zu tun, die der "Kulturbanause" macht.

Wer nie liest, dem entgeht vieles. Aber er ist nicht zwangsläufig ein oberflächlicher Mensch mit mangelnder geistiger Tiefe.

Leben und leben lassen, lesen und (nicht) lesen lassen.

Übrigens: wenn Ihr diesen Text bis hierher gelesen habt, dann wird er Euch interessiert haben. Dann werden Eure Gedanken gerne meinen Worten gefolgt sein. Nur dann kann man lesen, was vor einem liegt oder auf dem Monitor steht. Was nicht interessant für die kleinen Männchen im Gehirn ist, wird auch nicht gelesen, wenn doch, dann bitte schnell mit dieser Quälerei aufhören ;).

--

Wer reitet so spät durch Wind und Nacht ?
Es ist der Vater. Es ist gleich acht.

Im Arm den Knaben er wohl hält,
er hält ihn warm, denn er ist erkält'.

Halb drei, halb fünf. Es wird schon hell.
Noch immer reitet der Vater schnell.

Erreicht den Hof mit Müh und Not -
der Knabe lebt, das Pferd ist tot!

[ Frei nach Johann Wolfgang von Frankfurt von Heinz Erhardt ]

--

PS: die erste Single von Bernd Clüver ist "nicht" der Junge mit der Mundharmonika ;).

--

Tageslink: die Buchtauschbörse, kostet nix, nur Porto. Man tauscht eigene Bücher gegen neuen Lesestoff.

--


Klaus lässt eine ganze Woche Revue passieren ( mit Bildern :) --> 

--

Ich grüße heute ... erstmal sorry, dass ich vorgestern Kaltenkirchen am Main gegrüßt habe, der Link aber zum Kaltenkirchen ganz im Norden führte. Beide Orte sollen sich einfach gegrüßt fühlen :).

Die Stadt, die ich heute grüße, ist Bad Laasphe im Wittgensteiner Land :)).



 

Wunderkiste



Lichtblick

--

zurück zur Kalenderblatt-Hauptseite

Kalenderblatt-Archiv