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4. März 2005
 


Es gibt so wunderbare Mütter.
So herzlich, so weise.

Und es gibt wunderbar fliegende Kinder.
Aus der Geborgenheit des Nestes in die Freiheit des Lebens geflogen.

Ein Kind das Fliegen zu lehren ist eine der schwierigsten Sachen der Welt.
Ein Kind fliegen zu sehen die schönste.

Doch es gibt Mütter, die aber selbst noch jemanden bräuchten, der sie an die Hand nimmt und sie das Fliegen lehrt.

Normalerweise sollte man erst dann Mutter werden, wenn es einen selbst gibt.
Wenn man ein eigener freier Mensch ist.
Aber nicht, wenn man durch das Kind ein freier Mensch zu werden glaubt.


Sätze, die oft von Müttern gesagt werden und meine Gedanken dazu:



Du wirst dich umschauen, wenn ich nicht mehr da bin

Vielleicht mit Trauer, vielleicht mit Gram ... oder mit Erleichterung.
Ja, das Kind wird zurückblicken.
Und es wird seinen Kopf wieder drehen und nach vorne schauen (müssen).

Vielleicht wird sich auch die Mutter "umschauen", wenn das Kind nicht mehr da ist.
Weil es solche Sätze nicht mehr ausgehalten hat.


Ich will dich nicht mehr sehen

Ja ... das könnten auch mal irgendwann die Worte der Kinder sein, wenn sie für länger oder für immer die Tür von außen zu machen.


Ich hab doch nur dich

Ja, wie kann denn jemand ein Elternteil sein, wenn er sich selbst nicht hat.
Sondern alle Wünsche und Ängste in sein Kind hinein legt.
Irgendwann platzt das Kind.
Denn eigenes Leben und elterliche Vorstellungen sind zu viel für "einen" Menschen


Jetzt hab ich dich nicht mehr lieb

Wenn in genau diesem Moment ein Reporter zur Mutter kommt und zu ihr sagt "sie lieben ihr Kind überhaupt nicht" ... was wird da die Mutter hochgehen. Was wird sie mit ihrem Schirm auf den Reporter losgehen. Dabei hat sie doch gerade eben zu ihrem Kind gesagt, dass sie es nicht mehr liebt.


Du bist schuld

Ach ja ... wenn das Kind was tolles macht, dann haben das die Eltern klasse hingekriegt.
Aber wenn was nicht so läuft, dann ist es daran schuld.


Du bist wie dein Vater
Du bist wie deine Mutter

Was müssen die Eltern aber auch für schlimme Menschen sein, wenn sie ihrem Kind entgegenschimpfen, dass es wie sie ist. Und solche Menschen wollen Kinder erziehen ?



Ich hab dir gleich gesagt, dass du das nicht kannst

Bitte ändern "ich hab dir (noch) nicht gezeigt, wie es geht"


Das schaffst du nie

Ach, nur weil es die Eltern auch nicht geschafft haben ?
Oder weil die Eltern das zwar können, ihr Kinder aber dümmer als sie ist ?


Kannst du denn gar nichts richtig machen ?

Man stelle sich vor, genau diesen Satz sagt das Kind zu der Mutter ...


Das ist Blödsinn

In den Augen der Mutter vielleicht. In den Augen des Kindes kann der Blödsinn ein Regenbogen sein. Wenn dann natürlich die Sonne abgeschaltet wird, sind auch die Farben fort.


Ich habe Wichtigeres zu tun

Jaja ... und dann auf die Frage, was denn das Wichtigste im Leben sei "mein Kind natürlich" antworten.


Ich versteh dich nicht

ähhm ... wohl eher, ich höre nicht zu. Oder "ich hab die Sprache meines eigenen Kindes nicht gelernt".


Aus dir wird nichts

Durch solche Sätze wird aus dem Kind noch viel weniger. Weiter so, dann kann dieser Satz noch oft gesagt werden.


Dumm geboren und nichts dazugelernt

Ähemm ... die Mutter war dumm, als sie das Kind geboren hatte ?? Und danach hat sie nichts dazu gelernt ? Ich interpretiere den Satz einfach mal so ...


Selbstverständlich lassen sich all diese Worte auch auf Väter oder Eltern allgemein übertragen.
Und selbstverständlich betrifft das nicht alle Mütter und Kinder.

--

Eure Gedanken zu

Müttern,

und zu

Kindern

- die einen Besitzer haben
- die festgehalten werden, wenn sie fliegen lernen wollen
- derer Narben durch gesagte Sätze zahlreich sind

--

Wer ?

Wer hat den Ernst in dein Gesicht gebracht?
Wer hat das Licht gelöscht in dir?
Wer hat die roten Wangen bleich gemacht
Wer brach roh ein in dein Revier?
Wer nahm die Leichtigkeit,
die Unbefangenheit?
Wer brachte dich um deine allerschönste Zeit?

Wer machte deine klaren Augen blind?
Wer trieb mit dir ein böses Spiel?
Wer tötete das unbeschwerte Kind,
das immer aufstand, wenn es fiel?
Wer bremste deinen Drang?
Wer lehrte dich den Zwang?
Wer brach die Flügel dir, bevor der Flug gelang?

Wer ließ dich einfach in der Ecke stehen?
Wer hat dein Spielzeug dir zerstört?
Zu wen hast du vergeblich aufgesehen?
Auf wen hast du umsonst gehört?
Wer hat nur unerlaubt
die Zukunft dir geraubt?
Wem hast du vorbehaltlos bis zum Schluß geglaubt?

[Text von Thomas Woitkewitsch, gesungen von Herman van Veen]

--

Wie gesagt, ich spreche nicht von allen Müttern.
Wer Flügel gibt, der möge sich bitte nicht angegriffen fühlen.
Das Wort Mutter kann jederzeit durch Vater ersetzt werden.
Oder durch den Menschen, der in der Rolle des Erziehungsberechtigten ist oder war.

Ich selbst bin zwar kein Vater, war aber Sohn. Aber ich habe dieses Kalenderblatt nicht anklagend aus einer eigenen Verbitterung geschrieben.

"Einmal" einen solchen Satz zu sagen, darum geht es nicht. Sondern darum, diese Sätze auch verinnerlicht zu haben und sie öfter zu sagen, bzw. sie zu leben.

--

Dieses Kalenderblatt widme ich P. und F.

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