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27. Oktober 2005
 


Es fängt erst mal harmlos und fast freudig an.
Man liest die Zeitung, das Werbeblatt, im Internet.
Hey klasse, bei Lidl, Aldi, Tchibo (und vergleichbaren Anbietern, die ich hier aber alle als Beispiel genannt sehen möchte) gibt es wieder schöne textile Schnäppchen.
Kleidung mit einem richtig guten Preisleistungsverhältnis.

Diese Kleidung "kann" von gut bezahlten, glücklichen Arbeitnehmern gefertigt worden sein.
"Kann" sein, aber muss nicht.

Ortwechsel ... Bangladesh.
Hier wird auch Kleidung produziert.

Aus einem Zeitungsbericht der "Rheinpfalz"
(also kein Boulevardjournalismus, sondern ernsthafter Artikel) zitiert:

Rina Begum
aufgewachsen in einem ärmlichen Dorf
arbeitet als Hausmädchen, geht mit 18 in die Fabrik
13 € Monatslohn als Aushilfe, später Näherin mit bis zu 35 Euro.

Arbeitszeit: jeden Tag
freie Tage: einer im Monat
der Lohn: reicht auch im Ghetto nicht

Arbeitsbeginn: 8 Uhr
Arbeitsende: 18 Uhr
Aber es gibt Vorgaben, die so hoch sind, dass Rina oft bis 2 Uhr nachts am Nähen ist
Danach schläft sie auf dem Fußboden der Fabrik und morgens gehts weiter

Strafen:
wer den Akkord nicht schafft, bekommt kein Geld
wer auch nur eine Tasche ungleich annäht, bekommt den Tageslohn gestrichen
(ja, das verstößt auch gegen das Arbeitsrecht in Bangladesh ... und doch ist es Alltag dort)

Ihre Arbeitsbedingungen heute, sie ist inzwischen 35:

6-Tage-Arbeitswoche
bis zu 18 Stunden am Tag
monatlich 300 Stunden Nähen im Akkord
30 € Monatslohn (noch keine 10 Cent pro Stunde)

Rina Begum wehrt sich gegen willkürliche Lohnkürzungen.
Ebenso 65 ihrer Kolleg(inn)en.

Das Ergebnis:
9 Tage Gefängnis
fristlose Entlassung

seitdem kämpft sie in den Slums ums Überleben

Zukunft: normalerweise keine ... aber sie hat Glück und wird zur Symbolfigur
einer internationalen Kampagne, die auf diese Missstände aufmerksam macht.

...

Deutschland ist zweitgrößtes Einfuhrland für Kleidung aus Bangladesh.
Es lebe das Schnäppchen ... teuer bezahlt ... von denen, die es produzieren.

Und ich ?
Ich kaufe auch Schnäppchen ... das Geld wächst leider nicht auf Bäumen.
Aber ich werde doch nachdenklich ... so nachdenklich, dass ich das hier zum Thema machen möchte.

Wie soll es weiter gehen ?
Mehr Geld bezahlten für Kleidung, die unter besseren Arbeitsbedingungen produziert wird ?
Woher das Geld nehmen ... oder welche andere Dinge nicht kaufen ?
Alles was man deswegen nicht kauft, geht auch auf Kosten von Arbeitsplätzen.

Je mehr man bezahlt, desto größer ist die Chance, dass es den Arbeitnehmern gut geht.
Es ist ein moralischer Teufelskreis, besonders für Menschen mit knappen monatlichen Budget.

Eure Meinung zu diesem Thema ??
 


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