heute:

Mai-Anne

Sie hat zwei Geschichten zu erzählen, hier die erste, sie erzählt vom


Kirchenschmuck zwischen Tränen und Licht


Mai-Anne erzählt:

Vor einigen Jahren war ich in unserer Pfarrei für die Reinigung und den Blumenschmuck in der Kirche zuständig. Da unsere Messner im "richtigen Leben" noch einem anderen Beruf nachgingen, wurde die Krippe samt großem Christbaum oft erst am Abend vor dem 24. Dezember aufgestellt. Als "Geschenk" hinterließen sie mir dann jede Menge Moosreste, Tannenzweige – und je nach Wetterlage in der ganzen Kirche Pfützen vom geschmolzenen Schnee.

Für mich hieß das dann: Inmitten der Weihnachtsvorbereitungen zu Hause mir am Hl. Abend ein paar Stunden abzuzwacken und in der Kirche anzutreten mit Staubsauger und Putzeimer. Denn erst, wenn dann alles sauber war, konnte ich mir ein genaues Bild machen, wie denn der Raum um den Altar noch geschmückt werden könnte. Meist hatte ich dunkelrote Rosen und kräftig-grünes Tannengrün besorgt, das dann zu einem schönen Arrangement gesteckt wurde. Neben die Krippe stellte ich extra schöne Zweige in einer Bodenvase und das Ganze sollte dann noch dekoriert werden mit Strohsternen, kleinen Kügelchen, Engelshaar etc. .

Und da begann dann das Dilemma: Die Zeit war jetzt meist fortgeschritten, zu Hause wartete noch jede Menge Arbeit auf mich, das Kreuz tat mir mittlerweile weh und ich konnte mir selber nicht genügen: Als alte Perfektionistin drehte und wendete ich jedes Teil x-mal, um dann beim genaueren Betrachten festzustellen, dass es vorher doch besser ausgesehen hatte.

Ich war fast immer alleine bei dieser Arbeit und oft saß ich dann irgendwann in den leeren Kirchenbänken und ließ meinen Tränen freien Lauf... Der Weihnachtsstress hatte mich eingeholt und ich klagte dem Herrgott mein Leid: Einerseits war ich erfüllt von der Vorfreude auf die Christmette am Abend, die ich als Mitglied in unserem Kirchenchor mitgestalten durfte. Andererseits war ich in diesen Augenblicken wirklich oft am Ende mit meinen Kräften – und es war niemand da, der mir gesagt hätte: "So ist es gut ...".

Manchmal riss mich dann plötzlich ein lautes Knarren aus meiner Lethargie. Die Kirchentür öffnete sich und mein 14-jähriger Neffe, der bei uns die Orgel spielt, polterte die alte Holztreppe hinauf. Er musste sich auch noch vorbereiten auf die Feiertage und festliche Musik einüben. Das "Largo" von G.F. Händel und viele andere schöne Musikstücke verliehen mir Flügel und ich brachte meine Arbeiten so zu Ende, dass auch ich zufrieden mit mir selbst war.

Danach nahm ich mir dann doch auch noch ein bisschen Zeit für mich: Ich setzte mich nochmals in eine Bank, lauschte der Orgelmusik und betrachtete mein Werk. Und wenn sich dann Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Kirchenfenster bahnten und die Goldfäden und das Engelshaar auf den grünen Zweigen mit dem Christkind in der Krippe um die Wette strahlten, dann liefen mir wieder Tränen übers Gesicht.
Aber das waren dann Freudentränen - und jetzt begann für mich Weihnachten ...

 
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