heute:
Stjama
ein Stück weit Frieden
Stjama erzählt:
Einige von Euch haben vielleicht schon Kommentare von mir gelesen oder
erinnern sich an das Adventskalenderblatt, in dem ich 2004 von mir
erzählt hatte ... ich hatte beschrieben, dass Weihnachten für mich zwar
viele schöne Kindheitserinnerungen birgt, ich aber als Naturreligiöse
kein Weihnachten, sondern die Wintersonnenwende feiere.
Das ist auch so geblieben. Und trotzdem hat sich einiges verändert, von
dem ich jetzt, vier Jahre später, wieder in einem Adventskalenderblatt
berichten darf.
Nur wenige Wochen nach dem Kalenderblatt im Dezember 2004 hat sich mein
Leben und das meines jetzigen Mannes drastisch und wunderbar verändert:
Ich wurde schwanger, und im September 2005 wurde unser Töchterchen Leara
geboren.
Wir sind beide naturreligiös und stehen nun vor der großen Aufgabe,
Leara diese Lebenseinstellung nahe zu bringen, ohne dass sie sich zu
weit von dem, was "normal" ist, entfernen muss. Wir wollen sie nicht "zu
unserem Glauben" erziehen, sondern ihr beibringen, wie wertvoll ein
eigener, echter Glaube ist und wie sie ihn finden kann. Eine große
Aufgabe, vor allem weil wir uns damit auf Wegen begeben, die noch nicht
sehr ausgetreten sind. Es gibt natürlich auch andere naturreligiöse
Eltern, aber es sind wenige und viele davon haben andere Lebens- und
Erziehungsgrundsätze. Naturreligion ist eine sehr individuelle Art zu
leben und zu glauben, vielleicht liegt es daran. Jedenfalls gibt es,
soweit ich bisher herausfinden konnte, kein einziges deutschsprachiges
Buch und nur sehr wenige gute Homepages zu diesem Thema. Wir müssen also
versuchen, unseren eigenen Weg zu finden und damit vielleicht auch für
andere naturreligiöse Eltern den Pfad ein bisschen zu verbreitern, so
dass sie leichter darauf gehen können.
Natürlich betreffen unsere Überlegungen auch Weihnachten. Was für uns
selbst gut war, geht mit einem kleinen Kind gar nicht: Weihnachten quasi
ausfallen zu lassen. Und hier begann unser Dilemma: Wir wollten Leara
auf keinen Fall die ganz besondere Weihnachtsstimmung vorenthalten, die
wir aus unserer Kindheit kennen. Die Spannung, bevor wir ins Wohnzimmer
durften und die Geschenke bekamen. Die zauberhafte Lichterstimmung.
Plätzchenbacken und Weihnachtsgans. Der geschmückte Christbaum. Das
sollte sie auch erleben dürfen.
Und wie würde es für sie im Kindergarten und in der Schule sein, wenn es
bei uns die Geschenke nicht an Weihnachten, sondern an der Sonnenwende
gäbe?
Andererseits: Wie sollten wir es neben dem riesig aufgebauschten
Gesellschafts- und Konsumfest Weihnachten schaffen, der
Wintersonnenwende eine wirkliche spirituelle und trotzdem kindgerechte
Bedeutung zu geben?
Jeder wird sich vorstellen können, dass wir uns bei diesem Thema die
Köpfe heißgeredet und viele Ideen durchdacht und wieder verworfen haben.
Inzwischen sind wir zu einer Lösung gekommen, die für uns alle sehr
befriedigend ist:
Bei uns zu Hause gibt es keinen Weihnachtsbaum und keine
Weihnachtsfeier. Wir in unserer kleinen Familie feiern stattdessen die
Wintersonnenwende. Die Sonnenwendfeier wird wohl jedes Jahr ein bisschen
anders aussehen, angepasst an Learas Alter. Im letzten Jahr sah unser
Fest so aus:
Es begann am 20.12. damit, dass mein Mann mit Leara Brot gebacken hat.
In der Abenddämmerung haben wir im Haus alle Lichter gelöscht, haben ein
Windlicht und das Brot mit hinausgenommen und sind in die Natur
gegangen. Dort haben wir Lieder gesungen, von dem Brot einen Teil
gegessen und einen Teil als Opfergabe draußen gelassen, die Sonne
verabschiedet und schließlich, beleuchtet von ihrem letzten Licht, die
Kerze angezündet.
Mit dieser Kerze sind wir dann wieder nach Hause gegangen und haben den
restlichen Abend nur im Kerzenschein verbracht. Am nächsten Morgen sind
wir noch im Dunkeln aufgestanden, haben Leara warm eingepackt und in den
Buggy gesteckt und sind mit ihr wieder nach draußen gegangen, um den
Morgen zu begrüßen. Wir haben einen langen Spaziergang gemacht und haben
zugesehen, wie langsam die Sonne auf- und die längste Nacht des Jahres
zu Ende ging.
Mit einem ausgiebigen Frühstück endete unsere Feier. So ähnlich wird es
wohl auch dieses Jahr wieder ablaufen.
An den Weihnachtsfeiertagen selbst freuen sich dafür Learas Großeltern
um so mehr darüber, uns zu Gast zu haben und mit ihrem Enkelkind
Weihnachten feiern zu können. Geschenke gibt es für Leara bei beiden
Festen: An der Sonnenwende gibt es von uns ein Geschenk, das zur
Jahreszeit passt. Letztes Jahr waren das besondere, warme Hausschuhe,
dieses Jahr wird es ein Teppich für ihr neues Kinderzimmer sein, damit
sie im Winter besser auf dem Boden spielen kann.
An Weihnachten gibt es dann von uns noch eine Kleinigkeit und natürlich
eine Menge Geschenke von den Großeltern und ihren Onkels. So kann sie
beides erleben und wir erfüllen damit unsere selbstgesteckten
Erziehungsziele, soweit es uns möglich ist: Wir lassen ihr die
Möglichkeit, verschiedene Seiten kennen zu lernen und sich später einmal
zwischen gleichwertigen Alternativen zu entscheiden, ohne dass wir
selbst Theater spielen müssten. Wir zeigen ihr, dass wir einen anderen
Weg gehen als Oma und Opa und dass beides gut und wertvoll ist.
Ein kleines Weihnachtswunder gibt es bei uns dabei auch noch: Während
mein Mann und ich in den Jahren davor große Schwierigkeiten mit dem
Weihnachtsfest hatten und uns ganz bewusst davon distanziert haben,
stellen wir jetzt auch für uns fest, dass beide Feste nicht unvereinbar
sind und dass wir uns auch an beiden Festen freuen dürfen. So
unterschiedlich sind Weihnachten und die Sonnenwende auch gar nicht,
wenn man sich die Grundbedeutung anschaut: Wir feiern die Wiederkehr der
Sonne, die Christen feiern die Geburt des Lichtbringers.
Eigentlich freuen wir uns also alle über die Geburt des Sonnenkindes,
oder nicht? Man kann sagen, dass wir ein Stück weit den Frieden mit
Weihnachten gemacht haben und das ist doch wirklich wunderbar.
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