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25. August 2009


Mit dem Fahrrad nach Peking (28)

Die Seelenfarben-Reise 2009


 
28. Juli 2005

Langsam wachen wir in unserem Hotelbettchen auf ... blinzeln in Richtung der vermutlich weißen Decke ... und fragen uns: ja, sind wir denn noch in Sibirien oder wie nennt sich das Gebiet rund um Irkutsk ??

Ja, wir sind noch in Sibirien ... das ist ein großes Land ... 15mal so groß wie Deutschland, 61mal so groß wie Österreich und 125mal so groß wie die Schweiz. Okay, nehmen wir doch mal das kleine Luxemburg, dann ist Sibirien 1977mal so groß ... Luxemburg passt also fast 2000mal dort rein.

Sibirien selbst nimmt ca. 30 % des Gebiets von Russland ein.

Jaja, solche Zahlen gehen uns in unserem Bettchen im Hotel durch den Kopf ... und schon ...



... sind wir hellwach ;)).

Die Sonne auch ... sie scheint so viel wie Sibirien groß ist ... und so starten wir bei 30 Grad in Richtung Baikalsee. Dieser See ist übrigens ... 12mal so groß wie Luxemburg und 60mal größer als der Bodensee.

In Kilometern: der Baikalsee ist ca. 670 km lang und 80 km breit. Da fahren wir, wenn wir von ganz oben kommen, eine ganze Woche am Ufer entlang.

Aber ... wir kommen ja nicht von ganz oben ... wir sind schon fast am Ende des Sees und wollen ja nach unten (Süden) weiter ... so sieht das auf der Karte aus:


Karte: Sanculotte  Lizenz CC 3.0

Unten rechts seht Ihr den Maßstab ... und links unten auf der Karte ist die Stadt Irkutsk. Von da aus geht es an die linke untere Spitze des Sees. So arg viel am Ufer entlang werden wir gar nicht fahren *seufz* ... aber wir wollen halt nach China und keine Baikalseerundfahrt machen. Die heben wir uns fürs nächste Mal auf ... haste gehört, Hermes *fg*.

Aber wir sehen ihn ja, wenn er uns auch nicht tagelang begleiten wird ... aber sehen alleine ist schon sooo viel Vorfreude, dass unser Herz jetzt schon laut schlägt. Immerhin ist der Baikalsee Weltnaturerbe und das wird man nur, wenn man etwas ganz Besonderes ist.

(Gedankenverloren stehen wir schon 15 Minuten mit unserem Rad am Straßenrand und träumen vom Baikalsee. Als uns der Schweiß in die Augen tropft, wachen wir auf, seufzen und fahren weiter).

Mehr als 30 Grad sind es ... ein Wetter für den Liegestuhl, aber nicht das Sitzefahrrad. Dennoch ... wir wollten das ja alles so und fahren schon weiter ... immer weiter ... immer vergnügt.

Wir schließen die Augen für einen Moment und träumen, es ging ewig so weiter:



Wir öffnen die Augen und lächeln. Wir sagen uns "lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen".

Und wir lächeln.
Wir sind froh.

Und ... richtig ... es kommt schlimmer.

Das Grauen hat einen Namen: Berge.

Ein bißchen kann uns aufheitern, dass uns ein Tankwart eine Flasche süßen Sprudel schenkt. Wieder mal eine tolle Geste ... wir hätte aber auch gerne 10 Grad weniger als Geschenk genommen. Aber wir wollen ja nicht unverschämt sein ... gelle ?

Erstmal Pause ... unter einem schattenspendend Baum.

Und dann geht los ... eine 10 Kilometer lange Steigung wartet auf uns. Sie schweigt uns beharrlich an, während unser Atem immer lauter wird. So werden die Gegensätze größer ;)).

Erst ist die Steigung stetig gleich, dann wirds heftig und steil.

Die nächste Pause wird uns aufgezwungen ... lautstark ... ein Gewitter meint, wir müssten die Fahrt mal kurz unterbrechen, bevor wir aus den Latschen und vom Sattel kippen.

Und dann ... fängt Hermes an zu spinnen.

Im Gefühlsüberschwang, dass nach der endlosen Steigung eine grandiose Abfahrt kommt, lässt er das Rad laufen und wird schneller und immer schneller und erreicht sagenhafte ...

... 69 Kilometer in der Stunde.

Mit diesem vielen Gepäck wohlgemerkt.

_____


Liebe Leser, wir wissen nicht, ob Hermes kurzfristig lebensmüde war oder euphorisch oder fatamorganisch oder einfach nur männlich markant schnell ... wir empfehlen ihnen, das nicht nachzumachen. Es gibt so viele Mittel, um seine Grenzen zu erfahren, suchen sie sich davon ein ungefährlicheres aus ... stundenlanges Marathonjäten im Garten oder Extrem-Dusching oder den Fön auf kalt stellen und 15 Minuten auf den Bauchnabel pusten.

______


Hermes hat es überlebt.
Unfallfrei.
Während wir als Zuschauer fast einen Herzkasper gekriegt haben.

Zur Belohnung und Beruhigung finden wir eine wunderschöne Waldwiese und bauen dort unser Zelt auf. Ein bißchen Arbeit haben wir aber noch, denn wir versiegeln die Nähte des Zeltes.

Und nun: gute Nacht.

(Wir träumen davon, dass Hermes 71 Kilometer in der Stunde fährt und wachen schweißgebadet auf. Hermes lächelt stolz, als er uns sieht und wir drehen uns auf die andere Seite und suchen so lange, bis wir den nächsten Schlaf finden).

 
29. Juli 2005

Schon wieder Arbeit ... aber es ist halt so, dass die Bremsklötze von Hermes Rad seit Bischofswerda drauf sind, die von seiner Mitfahrerin seit Moskau ... da wechseln wir doch sicherheitshalber mal die Klötze, denn wer schnell fährt, muss auch sicher bremsen können.

Die Sonne knallt wie gestern von einem wolkenlosen Himmel und die Berge werden, auch wie gestern, steil und steiler.

Hermes bekommt die Strafe für sein gestriges zu-schnell-fahren:

[ Lieber Hermes, zur Strafe wirst du deine Trinkflasche an einem Rastplatz vergessen und das erst bemerken, wenn du dein Rad bereits 2 Kilometer eine Steigung hochgeschoben hast. Du wirst zu Fuß umkehren und die Flasche holen. Da du den Eindruck machst, als wärst du reuig und verschwitzt ...



... bekommst du eine Straferleichterung und ein Autofahrer wird dich mitnehmen und zum Rad zurückfahren ]


Und nein, das ist kein Laptop, den Hermes da am Rad hat ;)).

..

Oben auf dem Berg kriegen wir Angst, dass wir unseren Verstand verlieren. Denn wir sehen Bäume, an denen Stofffetzen hängen und überall auf der Straße liegen Geldmünzen. Da wir trotz gründlicher Suche unseren verloren geglaubten Verstand nicht mehr wieder finden, gehen wir davon aus, dass wir ihn gar nicht verloren haben. Könnte ja sein, dass es mitten in Sibirien Dinge gibt, von denen wir noch nichts wussten.

Wir machen einen Test ... wir fotografieren das Ganze und wenns auf dem Bild auch drauf ist, dann ist das wahr, was wir gerade sehen:



Aha ... stimmt also ... gibt es also wirklich ... das ist ein schamanischer Brauch, mit dem man die Dankbarkeit für das sichere Erreichen des Gipfels zeigt. Niemand wird da auch nur eine Münze aufheben und auch nicht die Geldscheine, die ebenfalls da liegen.

Wir genießen den tollen Blick ins Tal ...



... und fragen abends in einem kleinen Dorf, ob wir dort eine Nacht zelten dürfen ... wir dürfen :)).

Wir sind fix und fertig und foxy und alle ... nur 29 Kilometer sind wir heute gefahren. Eigentlich müssten wir ja genügend Kondition für mehr haben, doch bei solchen Bergen hat man keine Chance auf große Tagesstrecken.

Wir erinnern uns, wie wir bei Erklimmen des Urals gestöhnt haben ... dabei war der ein Kinderspiel, verglichen mit den Bergen von heute.

 
30. Juli 2005

Und immer weiter ... drehen sich unsere Räder ... die Berge hinauf.

Bei einer Pause hält ein Auto ... Männer steigen aus und fragen, wo wir her kommen und wo wir hin wollen. Wir geben Antwort ... die Männer schauen uns an und überlegen kurz.

Nach einer Gedenksekunde gehen sie zurück zum Auto und wir sehen nur noch hektische Handbewegungen. Was wird denn das nun wieder ??


[ Fortsetzung folgt ]

 



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