Home

15. Oktober 2015


Der kleine Garten im Herbst

Vor dem Dorf lag er. Noch bevor das Ortsschild dessen Namen verkündete, ging links ein unscheinbarer Weg durchs Gras. Wer ihn nicht kannte, lief an ihm glatt vorbei. Wir Kinder lernten ihn kennen und lieben. An dessen Ende wurde er plötzlich weit, und man konnte den Buchs riechen, der den Garten umgab.

„Er hält die Wühlmäuse fern und den Wind“, erklärte die Tante, die ihn so oft besuchte im Jahr wie den Friedhof. Jetzt im Herbst wehte schon Laub herüber von den Pappeln. Es war nachtfeucht und roch unverwechselbar nach Herbst. Was immer das war. An den Brombeerbüschen färbte sich das Laub in knallrot, das den Heidelbeeren den Rang auf Platz eins der besten Farben streitig machte.

Die Tante hatte an einer Stelle im Garten ein paar Rüben für die Ziege. Sie waren am Schluss dran, wenn der Rausch des Sommers vorbei war. Wenn es weder Kirschen an den Zweigen, noch Erdbeeren, und nur noch Äpfel der Marke Cox Orange gab. Und Rüben. Wir zogen an den grünen Blättern und förderten dicke Monster ans Licht, die orange gelb bis violett zwischen der klebenden Erde leuchteten. Mit ihrem Messer gab sie mir ein Stück zum Probieren. Es schmeckte süß.

Über allem lag am späten Nachmittag so etwas wie Nebel. Nicht zäh und undurchdringlich, eher wie ein zartes Tuch. Die schräg stehende Sonne konnte oder wollte es nicht heben, wohl weil sie genug hatte vom Scheinen. Auch sie war müde. In einer Karre, die auf ihre Art quietschend ihren Unwillen bezeugte, fuhren wir die Rüben durchs Dorf. Aus den Kaminen kräuselte sich der Rauch - der aus den Buchenholzfeuern.

Und am Abend gab es Wackelpudding. Schoko, wie ich es wünschte. Nur die Ziegenmilch verweigerte ich konsequent. Was kam da aus dem Euter bei so süßen Rüben als Futter? Es mussten sich furchtbare Szenen im Leib der Obermeckerin abspielen. Irgendwie war sie mir suspekt. Immer schon. Nur als Schimpfwort war sie mir willkommen.

[ Burkhard Jysch ]



zurück zur Kalenderblatt-Hauptseite

Kalenderblatt-Archiv