Der kleine Garten im Herbst
Vor dem Dorf lag er. Noch bevor das Ortsschild dessen Namen verkündete, ging
links ein unscheinbarer Weg durchs Gras. Wer ihn nicht kannte, lief an ihm glatt
vorbei. Wir Kinder lernten ihn kennen und lieben. An dessen Ende wurde er
plötzlich weit, und man konnte den Buchs riechen, der den Garten umgab.
„Er hält die Wühlmäuse fern und den Wind“, erklärte die Tante, die ihn so oft
besuchte im Jahr wie den Friedhof. Jetzt im Herbst wehte schon Laub herüber von
den Pappeln. Es war nachtfeucht und roch unverwechselbar nach Herbst. Was immer
das war. An den Brombeerbüschen färbte sich das Laub in knallrot, das den
Heidelbeeren den Rang auf Platz eins der besten Farben streitig machte.
Die Tante hatte an einer Stelle im Garten ein paar Rüben für die Ziege. Sie
waren am Schluss dran, wenn der Rausch des Sommers vorbei war. Wenn es weder
Kirschen an den Zweigen, noch Erdbeeren, und nur noch Äpfel der Marke Cox Orange
gab. Und Rüben. Wir zogen an den grünen Blättern und förderten dicke Monster ans
Licht, die orange gelb bis violett zwischen der klebenden Erde leuchteten. Mit
ihrem Messer gab sie mir ein Stück zum Probieren. Es schmeckte süß.
Über allem lag am späten Nachmittag so etwas wie Nebel. Nicht zäh und
undurchdringlich, eher wie ein zartes Tuch. Die schräg stehende Sonne konnte
oder wollte es nicht heben, wohl weil sie genug hatte vom Scheinen. Auch sie war
müde. In einer Karre, die auf ihre Art quietschend ihren Unwillen bezeugte,
fuhren wir die Rüben durchs Dorf. Aus den Kaminen kräuselte sich der Rauch - der
aus den Buchenholzfeuern.
Und am Abend gab es Wackelpudding. Schoko, wie ich es wünschte. Nur die
Ziegenmilch verweigerte ich konsequent. Was kam da aus dem Euter bei so süßen
Rüben als Futter? Es mussten sich furchtbare Szenen im Leib der Obermeckerin
abspielen. Irgendwie war sie mir suspekt. Immer schon. Nur als Schimpfwort war
sie mir willkommen.
[ Burkhard Jysch ]
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