Folge 6
(die Folgen 1-4 sind zum Nachlesen unter dem weiter-Link zu finden)

(Rudolf antwortete ihr und dabei sah er sie liebevoll an "es ist doch ganz bestimmt so, dass dein Opa dich sucht. So wird er da oben irgendwo seine Runden drehen und schauen, ob er irgendetwas Auffälliges sieht. Und was gibt es denn Auffälligeres als ein Feuerwerk mitten im Dezember?")


"Hey, das ist ja 'ne klasse Idee" freute sich Luisa und lachte dabei. Ein strahlendes Lachen, wie das nur Engel können. Und von drinnen kam ein kurzes Bellen, als wenn Asso mitgehört hätte.

Rudolf hatte inzwischen die Raketen in den Boden des Vorgarten gesteckt und hantierte mit einem Feuerzeug. Ganz neugierig stand Luisa daneben. "Geh bitte etwas zur Seite, wir wollen doch nicht, dass deine Flügel Feuer fangen."

Und nun flogen die ersten Silvesterraketen und beleuchteten den eben noch dunklen Dezemberhimmel mit einer herrlichen Farbenpracht. Luisa stand mit genauso leuchtenden und staunenden Augen daneben.

Rudolf musste lachen, als er Luisa sah. Ein kleiner Engel, gehüllt in eine dicke Daunenjacke, die ihr Rudolf gegeben hatte und die fast bis auf den Boden reichte.

Luisa ärgerte sich diesmal aber nicht, dass Rudolf lachte, sie war viel zu gut gelaunt und voller Hoffnung, das Opa sie nun finden würde.

"Feierst Du immer Silvester mit Raketen" fragte sie.

"Nein, ich feiere Silvester gar nicht. Ich habe die Raketen nur deswegen im Keller, weil ich jedes Jahr aufs Neue hoffe, dass vielleicht doch mein Sohn aus Amerika mit seinen Kindern zu Weihnachten kommt und ein, zwei Wochen bleibt. Und so liegen die Raketen und Knaller halt im Keller. Na, wenigstens haben sie nun ihren Zweck erfüllt und für leuchtende Augen gesorgt"

Und so standen nun die Beiden um Mitternacht im Vorgarten. Die Raketen waren wieder erloschen, das leise Bellen der Hunde in den ein gutes Stück entfernten Nachbarhäusern war verebbt. Die Nacht war still. Weit und breit nichts von Schlitten und Opa zu sehen.

"Vielleicht hat er die Raketen doch nicht gesehen" sagte Luisa und fing dann an, ganz laut zu schluchzen ... Rudolf schaute Luisa an, dann in den Himmel und dann wieder zu dem Engel. Er wusste nicht, was er sagen sollte, er war ratlos ...

(wird fortgesetzt)

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Folge 5

"Rudolf öffnete den Karton. Luisa stand ganz ungeduldig daneben und war neugierig auf das, was Rudolf wohl dort rauszaubern würde.

"Was ist das denn ?" fragte sie und Rudolf antwortete "das sind Feuerwerksraketen"

Luisa ging schmollend in den Sessel zurück "ich will zu meinem Großvater und du hast nichts anderes im Sinn, als ein Feuerwerk zu machen".

"Ja, habe ich und sogar ein ganz großes - komm mit"

"Nein, ich mag nicht ..."

"Dann gehe ich eben alleine deinen Opa rufen"

Luisas Gesicht war ein einziges Fragezeichen, aber das Wort "Opa" ließ sie nicht mehr länger in der Ecke sitzen. Sie folgte Rudolf ins Freie. Asso wollte auch mit, aber er durfte nicht. "Nein, Asso, das geht nicht, du hast doch immer Angst beim Feuerwerk, ich hole dich dann später" hat ihm Rudolf freundschaftlich gesagt und Asso verzog sich wieder in sein Körbchen. Allerdings nicht schlafend, sondern in Wartestellung.

Auf einmal lachte der Engel "stimmt's, du willst mich mit einer Rakete in den Himmel zu Opa schießen ? Das ist ja klasse !!".

"Nein, das geht doch nicht, du bist zwar ein kleiner Engel, aber doch zu schwer für eine Silvesterrakete. Und wir wollen doch nicht, dass du wieder im Gebüsch landest" lachte Rudolf.

Luisa schmollte nun ein bisschen "ja, ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Das musst du mir nicht immer wieder sagen. Sag mir lieber, was du vorhast" drängelte nun das kleine himmlische leicht ärgerliche Wesen.

Rudolf antwortete ihr und dabei sah er sie liebevoll an "es ist doch ganz bestimmt so, dass dein Opa dich sucht. So wird er da oben irgendwo seine Runden drehen und schauen, ob er irgendetwas Auffälliges sieht. Und was gibt es denn Auffälligeres als ein Feuerwerk mitten im Dezember?"



Folge 4

"Ja", sagte er, "seit fünf Jahren wohne ich ganz alleine hier". Er hielt kurz inne, trank einen Schluck Tee und hoffte, dass er nicht anfing, richtig zu heulen. Er seufzte noch mal und fuhr dann etwas gefestigt fort "Gerlinde, meine Frau, ist vor fünf Jahren gestorben. Krebs, es ging ganz schnell. Asso war damals ein Jahr alt ... er ist mir als Erinnerung an die langen gemeinsamen Spaziergänge geblieben. Und so gehe ich heute noch unsere Wege über die Felder".

"Hast du denn keine Kinder" unterbrach in Luisa.

"Doch, sogar zwei Stück. Aber weißt du, mein Engel, die leben ihr eigenes Leben. Harald, mein ältester Sohn lebt in Amerika mit seiner Frau und zwei Kindern. Zu Weihnachten wird eine Karte kommen mit vielen Wünschen, mehr nicht. Und dann habe ich noch eine Tochter, die lebt in München. Sie habe ich vor drei Jahren bei Ihrer Hochzeit zum letzten Mal gesehen. Ach Mensch ..." und jetzt liefen doch ein paar Tränen über seine Wangen "hätte ich sie doch bloß nicht vor ihrem Freund warnen wollen. Aber ich konnte einfach nicht anders, ich sehe doch einem Menschen an, ob er es ehrlich meint. Und dieser Jens meinte es nicht gut mit meiner Tochter. Aber sie hat sich furchtbar darüber aufgeregt, dass ich dazwischen geredet habe und wir sind im Unfrieden auseinander. Ein paar Monate später habe ich ihr einen langen Brief geschrieben, aber er kam unzustellbar zurück. Ich weiß nicht, wo und wie meine Tochter nun lebt."

Und nun heulte er ... und es war nun der Engel Luisa, der Rudolf liebevoll in den Arm nahm.

Rudolf fing sich wieder "aber heut ist heut und wir haben im Moment ganz andere Probleme. Wir müssen es irgendwie schaffen, dass du wieder zu deinem Opa zurückkommst."

Luisa saß ratlos daneben "aber was können wir tun ?".

Und wieder ergriff eine melancholische Stille den Raum.

Auf einmal blitzte es in Rudolfs Augen, "ich hab da eine Idee" sagte er, sah dabei um viele Jahre jünger aus, stand auf und ging die Treppe hinunter in den Keller. Julia hörte, dass er ein paar Kisten zur Seite schob, auf einmal "ah, da ist er ja" sagte und wieder die Treppe heraufkam.

Rudolf hatte einen mittelgroßen Karton in der Hand und sagte zu Luisa "schau mal, was ich da hab ..."



Folge 3

Nun saßen die Drei im gedämpften Licht vor ihren duftenden Teetassen. "Kaminfeuer-Tee", sagt Rudolf "ich liebe diesen Tee, er bringt ein bisschen Wärme in die Vorweihnachtszeit".

Doch so ganz stimmte das an diesem Tag nicht Denn Rudolf sah eine kleine Träne in Luisas Auge. "Ich weiß, du hast Sehnsucht nach deinem Opa" sagte er ganz sanft.

"Ja" schluchzte der Engel, "wo er wohl sein mag und ob er mich sucht ?".

"Bestimmt sucht er dich !"

"Aber wie soll er mich finden, er weiß doch nicht, dass ich hier bei Dir sitze"

"Hmm, da hast du recht, da müssen wir uns etwas einfallen lassen ... aber was ?"

kurze, ratlose Pause ...

Rudolf unterbrach die Stille "darf ich dich mal was fragen ?"

"Was denn ?"

"Was habt ihr denn eigentlich schon so früh dort oben gemacht, es ist doch erst in zwei Wochen der Tag der Bescherung ?"

Die Antwort kam sofort "Opa hat seinen neuen Schlitten Probe gefahren. Ganz neu ist der Schlitten, der hat in der Sonne ganz toll geblinkt. Ein richtig schöner Schlitten. Und ich bin aus ihm rausgefallen ... ich will zurück zu meinem Opa" ... und wieder war Luisa dem Weinen ganz nah ...

Da Rudolf aber im Moment auch keine Lösung wusste, wurde es ganz still in dem Raum. Die Gedanken mischten sich mit dem Rauch der Kerzen und die Stimmung war gedrückt. Asso hatte sich inzwischen in sein Körbchen zurückgezogen und schien zu träumen, wie man an seinen zuckenden Pfoten sehen konnte.

Diesmal war es Luisa, die die Stille unterbrach: "wohnst du ganz alleine hier ?"

Und jetzt war es Rudolf, dem eine Träne im Auge stand.



Folge 2

"Ja, vom Schlitten gefallen" und dann begann Luisa zu erzählen, schluchzend und ärgerlich zugleich. "Jetzt habe ich solange gebettelt, bis ich endlich beim Opa mit auf den Weihnachtsschlitten durfte und dann falle ich dort runter. Opa hat noch gesagt, dass das gefährlich sein kann, wenn der Schlitten in eine Kurve geht, aber ich hab' versprochen, dass ich mich gut festhalten werde.

Und dann bin ich eingeschlafen durch das gleichmäßige Hoppeln des Schlittens. Und weil ich gestern Nacht vor lauter Vorfreude kaum geschlafen habe."

Rudolf hörte dem Mädchen zu und dachte zu sich "so eine Enkelin habe ich mir immer gewünscht". Fast wollte eine Träne in sein Auge steigen, doch er fing sich wieder und fragte Luisa "aber Engel können doch fliegen ?".

"Ja, aber ich komme doch erst nächstes Jahr in die Flugschule für die weiten Strecken. Mal kurz von Wolke zu Wolke, das klappt schon, aber als ich vom Schlitten fiel und der bereits zu weit weg war, um zu rufen, da habe ich das flugtechnisch nicht so auf die Reihe gekriegt. Ich bin dann immer näher zur Erde gekommen und hier fliegt es sich viel schwerer, weil die Luft dicker ist als dort oben, ich habe es gerade noch geschafft, so zu landen, dass ich mir die Flügel nicht breche. Aber verbogen sind sie schon. So'n Mist !!"

"Dürfen denn kleine Engel fluchen" fragte Rudolf und der ansonsten weiße Engel wurde auf einmal etwas rot im Gesicht und ganz verlegen.

Rudolf drückte die Kleine und jetzt kam auch Asso, der die ganze Zeit das Geschehen misstrauisch beobachtet hatte, zu den Zweien. Und drückte sich ganz liebevoll an den Engel.

"Wie heißt ihr Zwei denn" fragte sie und erhielt die Antwort "das da ist Asso und ich bin der Rudolf".

"Rudolf ... du heißt genau wie mein Opa" lachte das Mädchen, wurde dann aber ganz ernst und meinte "und der ist mit dem Schlitten jetzt wasweissichwo ...".

"Komm, wir gehen jetzt erst mal nach Hause und machen uns einen warmen Tee" sagte Rudolf und die ungleichen Drei zwischen Himmel und Erde machten sich auf den Weg ...

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Folge 1

"Asso, bei Fuß" schallte es durch den Dezember-Abend. Rudolf, der wie jeden Tag einen ausgedehnten Spaziergang machte, rief seinen Hund zurück. Dieser war bellend zu den Sträuchern am Rand einer Wiese gerannt und, da der Hund alles essen wollte, was auch nur im Entferntesten danach aussieht, pfiff er ihn lieber zurück. Bevor Asso noch etwas Ungenießbares zu sich nahm.

Rudolf wollte weitergehen, als er sah, dass sich dort, wo der Hund gerade war, etwas bewegte. Er rieb sich die Augen ... und es bewegte sich immer noch. Und, wenn er genauer hinschaute, schien es ziemlich groß und weiß zu sein. Was kann weiß sein und in den Sträuchern rascheln. Merkwürdig ...

Vorsichtig ging Rudolf über die Wiese, um mal nachzuschauen.

Als er ein paar Meter entfernt war, hörte er eine helle, sehr angenehme Stimme, die allerdings gerade am Fluchen und Weinen war. "So'n Mist, hätt' ich mich doch festgehalten" sagte die Stimme.

"Das ist doch ..." Rudolf stutzte "... ein kleines Mädchen". Vorsichtig half er dem Mädchen aus dem Gebüsch. "Pass doch auf, mein Flügel, der ist eh schon verbogen" sagte die Kleine und da fiel es auch Rudolf auf, das kleine Mädchen hatte Flügel.

"Ein Engel" entfuhr es dem Schreinermeister in Rente, dann schüttelte er lachend den Kopf und sagte "du bist aber früh dran, Fasching ist doch erst in drei Monaten".

Meinte das Mädchen "veräppeln kann ich mich selbst, ich heiße Luisa und bin ein Engel".

"Ja, mein Engel" sagte Rudolf väterlich und wollte die Flügel etwas zurechtrücken. "Aua" schallte es ihm entgegen, "reicht es nicht, dass meine Flügel verbogen sind, musst du auch noch daran zerren".

Rudolfs Gesichtsfarbe wechselte in Richtung blass, als er sah, dass das wirklich ein Engel war. Zwar nicht mehr reinweiß, sondern durch die Landung mit grünen und braunen Flecken, aber wirklich ein Engel.

Rudolf wurde auf einmal ganz anders ... "mir wurde ein Engel geschickt" sagte er erfurchtsvoll.

"Ah ba, nix geschickt, ich bin vom Schlitten gefallen" bekam er als Antwort.

"Vom Schlitten gefallen ? ..."