Das gestrige Kalenderblatt, die Reise in den Schnee-Advent,
hat Buck an einen Text, den er mal geschrieben hat, erinnert.

Winterzeitreise

Als er vor die Tür trat, spürte er sofort die Kälte. Sie biss ihm in die Nase wie ein junger Hund es tun würde. Etwas respektlos aber nicht böse gemeint. Sein täglicher Gang, von dem ihn niemand abhalten konnte, sollte ihn einmal mehr in den Wald führen. Bei den ersten Schritten durch den gefallenen Schnee knirschte es, als würde der Schnee sich darüber beschweren, dass er ihn mit seinen schweren Stiefeln trat. Es schneite noch immer. Winzige kleine Sterne taumelten eher unschlüssig zu Boden. Das Thermometer zeigte deutliche Minusgrade.

Heute, am Sonntag, nahm er sich eine Strecke vor, die ihn zuerst am Waldrand, dann nach einer scharfen Rechtskurve in den Wald selbst führen sollte. Er würde eine Stelle erreichen, die Hügel aufwärts zu einer Kreuzung führte, von der man einen fantastischen Blick auf die Landschaft hatte. Diese Stelle war ein magischer Ort. Wer von hier die Welt durch seine inzwischen alt gewordenen Augen sah, der konnte sich dem Zauber nicht entziehen, zu dem die Natur an Tagen wie diesen imstande war. Aus braun geschälten Feldern wurde eine Festtagstafel, über die schwarze Vögel zogen. Ganz in der Ferne die künstliche Wolke aus Wasserdampf eines Heizwerkes. Dem, was einmal die Sonne war, war die Puste ausgegangen. Ein roter Ball schaffte es gerade einmal den Horizont eine Handbreit zu überwinden. Vom Stahlblau des Himmels blieb nur Atemlosigkeit, aus der es rieselte.

Beim Innehalten an der magischen Stelle stieg in ihm die Erinnerung hoch. Er sah um sich die Kinder mit ihren Strickmützen, sah ihre roten Wangen und Nasen und hörte ihr Geschrei, das sie den Schlitten voraus schickten Hang abwärts. Eines davon war er selbst. Die Bäume, die jetzt mächtige Kronen hatten, waren damals noch überschaubar. Die Felder, kleine Mosaike vieler aus dem Dorf, die sich gegenseitig bei der Ernte halfen. Eine große Zeit ging zu Ende. Maschinen ersetzten Hände, Hände bauten Maschinen.

Noch während er sich seinen Gedanken hingab, betrat ein Reh die Straße und blieb mitten auf ihr stehen. Sie sahen sich an und wagten nicht einen Schritt. Das Reh hatte beide Ohren weit abgespreizt und blickte in seine Richtung, während er versuchte das kleine Wölkchen an Atemluft zu bremsen, das aus seinem Mund wollte. Schließlich war es das Reh, das seinen Weg fortsetzte. Beim Zurückblicken sah er seine Fußspuren als einziges Zeichen, dass es hier Leben gab. Er freute sich auf seinen Assam Tee, der dunkelrot und heiß ihn auftauen würde. Schicht für Schicht wie Jahr um Jahr seiner weit zurückreichenden Gedanken.

Die Nacht würde bald eintreten und jene diffuse Helligkeit zurücklassen, ähnlich der indirekten Beleuchtung eines Kunstwerkes. Und wer weiß, vielleicht kam ja noch Schnee nach. Fein geschnitten aus einem grau schwarzen Himmel eines Mantels, von dem man sagte, dass er dem Winter gehörte.

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