Der Abreißkalender Februar von Andrea aus Spanien ... Kelly hat das
schön zusammengefasst:
Die Aufnahmen im Februar haben mich berührt,
verstört, begeistert und grübeln lassen.
Einige Leser bekamen immer wieder Depri-Gedanken beim Betrachten
der Bilder.
Ich hab mal vier der bisherigen Bilder ausgesucht, in denen häufig
solche Gedanken geäußert wurden
und Andrea gebeten, mal etwas zu den Bildern zu sagen.
Andrea schreibt:
Engelbert hat mir beim Gestalten des
Abreißkalenders freie Hand gelassen.
Ich habe mich für die gezeigten Bilder entschieden, weil sie
abwechslungsreich sind:
es gibt kräftige und blasse Farben, es gibt schwarz-weiß, es gibt
Landschaftsbilder,
Blumen, es gibt Lustiges und Nachdenkliches.
Die Bilder wurden absichtlich nicht mit Sprüchen oder Texten versehen,
um die Assoziation nicht vorwegzunehmen.
Meine Bilder entstehen aus ganz normalen Fotos, die nachträglich
bearbeitet werden.
Es geht mir nicht darum, die Realität wiederzugeben, sondern aus
alltäglichen Motiven
etwas Neues und Besonderes zu machen – eine Welt, so wie ich sie sehe
oder wie sie sein könnte.
Die Fotos sind somit eine Art "Leinwand".
Die Bearbeitung erlaubt es, unschöne Bildelemente des Originalfotos zu
verdecken
und Details herauszuarbeiten, die auf dem Original untergehen, den Blick
auf das Wesentliche zu lenken
und somit eine neue Sichtweise, Stimmung, Gefühl, Atmosphäre, (Be-)Rührung
zu schaffen,
auf die sich der Betrachter gern für mehr als 3 Sekunden einlassen darf
– wenn er möchte.
Wir werden in den Medien täglich mit optischen Reizen geradezu
überflutet;
die allgemeine Schnelllebigkeit lässt uns kaum Raum zum Innehalten –
meine Bilder
sind vielleicht der Gegenpol zum “Hallo-hier-klicken-und-weiter”-Zeitgeist.
Gern erzähle ich, wie folgende Bilder entstanden sind:
Diese Lisianthus-Blüten lagen auf dem Altar einer Kapelle, in der eine
Hochzeit stattfand.
Auch der Brautstrauß war aus diesen Blüten, die viel robuster sind als
sie aussehen
und selbst bei hohen Sommertemperaturen in der Vase erstaunlich lange
halten.
Es gab außer diesen Stielen auf dem Altar noch kleine Blütenarrangements
an den Sitzbänken
und Gestecke auf der Treppe zum Altarraum, alle waren aus Lisianthus.
Ich habe hier den Hintergrund wegretuschiert, denn der Altar war aus
Marmor
und erinnerte mich spontan an eine Grabplatte.
Die Farben der Blüten waren genau so (altrosé), die Weichzeichnung nimmt
dem Motiv
die Schwere und macht es "leichter".
"Festhalten oder loslassen?" ... wäre mein Titel für dieses Bild.
Im Original war der Himmel grau-blau und mit Gewitterwolken,
das war mir einfach zu langweilig und auch zu trübe.
Der Feuerhimmel symbolisiert Kraft und Energie und bildet einen schönen
Kontrast
zu der dunklen Silhouette des Jungen.
Mohn blüht in Spanien nicht in Kornfeldern, sondern auf Wiesen, und das
auch nur ganz vereinzelt.
Diese "Drei Ladies in Red" zusammen zu erwischen, war schon ein kleiner
Glücksfall.
Der Originalhintergrund war schmutzig-grün und viel zu unruhig und wurde
deshalb retuschiert.
Warum grau-schwarz?
Weil es einen tollen Kontrast zu dem Rot der Blüten bildet, die mich in
ihrer Haltung
an das Label einer bekannten Parfümmarke erinnert haben.
Ganz schwarz wirkte zu dunkel, weiß oder hellgrau war mir zu brav.
Mohn ist eine sehr kurzlebige Blüte, der Gedanke an “Vergänglichkeit”
liegt nahe,
aber vorher haben die Damen hier einen großen Auftritt.
Das Ausgangsfoto ist die Betonwand einer Fabrikhalle,
die Schatten der Blätter sind von dem Eukalyptusbaum der davorsteht,
die Silhouette wurde nachträglich eingefügt.
Ich sehe hier eine Frau, die in die Ferne schaut, die einfach mal
innehält,
vielleicht einen kurzen Spaziergang macht, die einen Moment der Stille
und Ruhe sucht,
Abstand vom Alltag und einen Moment für sich allein haben will.
Unser Leben ist oft so laut, hektisch und schrill, dass man ab und zu
mal abtauchen möchte,
um die innere Balance wieder ins Lot zu bringen und Energie zu tanken
für den nächsten Tagesabschnitt.
Es könnte aber auch eine Frau sein, die vor etwas flüchtet.
Ihr Gang ist aufrecht, sie ist stark und fest entschlossen alles hinter
sich zu lassen,
selbst wenn ihr Ziel und ihre Zukunft ungewiss sind.
Zusätzlich zu den vier von mir ausgesuchten Motiven möchte Andrea
noch zu diesem Bild etwas sagen:
Venedig? Rom? Dresden?
Diese Kathedrale steht in Málaga und wird, weil sie nur einen Turm hat,
liebevoll "la manquita" (die Einarmige) genannt.
Der Barockbau ist eine Herausforderung für jeden Fotografen,
denn das Gebäude ist umgeben von Hochhäusern;
von der Straße aus lässt es sich nicht fotografieren,
man bekommt immer nur einen Teil des Baus aufs Bild.
Um die hier gezeigte Perspektive aufnehmen zu können,
muss man rauf auf die nahegelegene Festung,
von dort hat man einen (fast) kompletten Blick auf die Kathedrale,
aber die Häuser drumherum stören immer noch das Gesamtbild.
Hier wurde das ganze Bild verwischt und mit einer Leinwandtextur
abgedeckt,
danach der Turm und ein Teil des Kirchenschiffes wieder hervorgeholt.
"Blick auf das Wesentliche".
Eure Gedanken zu Andreas Gedanken ??
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