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15. März 2017


Die Seifenblase

Die Aufgabe ist wirklich nicht leicht. Male eine Seifenblase. Nur drei Worte. Male eine Seifenblase. Zur Verfügung stehen alle Farben, Wasser, ein Untergrund und Zeit für ein ganzes Jahr. Am Neujahrsmorgen beginnen hieße nichts Gutes, wegen der zittrigen Hand, die noch vom Abend vorher die gewohnte Ruhe vermissen lässt. Auch Pinsel und Schwämme sind da, und ein Atelier, das Licht genug für ein Jahr herein lässt. Ich stehe vor einem Problem. Es beginnt am Ort. Wo bitte befindet sich die Blase, was verschleiert sie, was lässt sie durchschimmern? Gibt es Beispiele in der Malerei, wo sich jemand versucht hat?

Aquarell oder Öl, Pinsel oder besser Schwamm? Wer weiß schon etwas über das kurze Leben ihrer Durchleucht? Ich kann sie nicht einfach in den leeren Raum stellen, oder gerade doch? Sollte ich ihr einen Teich zu Füßen legen, über dem sie soeben noch schwebt, oder den Frühlingshimmel, in den sie strebt? Und wenn ich sie blau in Szene setze, verschwimmt sie dann nicht mit dem Himmel, wird eins mit ihm, statt selbstbewusst und stolz?

Im Mai habe ich die Idee, sie über eine frischgrüne Wiese tanzen zu lassen, im Sommer entschließe ich mich für die frühen Morgenstunden, die ein Kind noch vor der Schule nutzt, um ihr Leben einzuhauchen. Sich dessen bewusst, sie nie wieder zu sehen, und kaum Zeit zu haben, sie zu verfolgen bis zu ihrem Ende ... Bei einem Gang über eine Kirmes reißen sich zwei Helium gefüllte Ballons los, und werden von ihren kleinen Besitzern zurück geschrien. Das könnte ein Motiv sein, denke ich, ein Motiv der Sinnlosigkeit, der Unhaltbarkeit, ein Motiv des Lebens.

Und wie die Blase selbst, gibt es nicht etwas wie ein Innenleben, und gleich kaum messbar daneben eine äußere Haut, die nicht einmal in der Lage ist einige Sekunden zu überstehen, wenn es schlecht kommt? Ihre Herkunft werde ich verschweigen. Sie wird einfach da sein, wie auch ich einfach in die Welt gesetzt wurde. Wurde ich gefragt, ob ich bereit für so etwas Großes wie das Leben bin? Mit einem Atemzug, einem einzigen Atemzug, der wieder ausgeblasen wurde, löste ich mich schließlich. Gar nicht bunt, umso mehr zerbrechlich in der schwachen Nachkriegssonne. Sollte ich sie so malen wie ich mich sehe?

Dem Betrachter meines Kunstwerks müsste ich mich erklären. Und da fängt das Künstliche an. Versuche etwas zu erklären, was sich selbst erklären soll.

Ich entscheide mich im Herbst. Es wird ein vom Wind zerzaustes Bild, Luftströmungen, die um das Zerbrechliche herum nur den schwachen Raum geben, eizellenklein im Zeugungsmoment. Nicht spürend, nicht wissend, noch nicht ganz. Nur rund sich teilend, der Umgebung sich mitteilend und messbar etwas zu sein, das in diese Welt gehört, sie versucht zu durchschweben ohne zu platzen, was manchmal gewiss nicht leicht, aber nicht unmöglich ist.

(Burkhard Jysch)



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