Prinzessin Stacheldraht.
Es lebt ein König, der drei Töchter hat
mit Namen Petra, Adelgund und Stacheldraht.
Welch wundersamer Name bei der Jüngsten
die geboren ward an Pfingsten.
Gezeugt in einer lauen Spätsommernacht
dort drüben am Weg, am Zaun, beim Stacheldraht.
Es muss ein ganz besonderer Abend gewesen sein, denn zur Erinnerung daran
erhielt die jüngste Prinzessin diesen Namen.
Die Jahre vergingen und aus dem
kleinen Mädchen wird eine schöne junge Frau. Mit diesem weniger schönen
Namen.
Heiraten sollte sie, glücklich werden, eine Familie gründen. Doch wer
nimmt eine Frau, die Stacheldraht heißt. Viele Nächte hatte der König inzwischen
grübelnd durchwacht, weil ihm inzwischen bewusst war, welchen Fehler er da gemacht hatte
... diesem schönen Prinzessinnenwesen einen so hartkantigen Namen zu
geben.
Den Namen zu ändern ging wegen des strengen Namensgesetzes nicht. Manche Gesetze in diesem Land hatten eine
lange Tradition und durften nicht geändert werden. Auch nicht vom König. Und so
musste ein einmal vergebener Name ewig bleiben und es war auch nur
ein Vorname erlaubt.
Er sah nur eine Möglichkeit, seine Tochter unter die Haube zu bringen
... und so unternahm er eine Reise in ein benachbartes Königreich, von dem er
wusste, dass da ein junger Prinz war, der eine Frau suchte und noch
keine gefunden hatte. Die beiden Königshäuser wussten voneinander, aber
kannten sich nicht so gut, dass der Vorname der Prinzessin dort bekannt
waren.
Mit einer Kutsche fuhren der König, seine Frau und Stacheldraht zum
fremden Königreich. "Einfach mal hinfahren und auf ein Wunder hoffen",
hatte der König noch morgens zu seiner Königin am Frühstückstisch
gesagt.
Und so saßen sie nun im Garten des kleinen Sommerschlosses und tranken
Tee. Der Diener hatte sie gebeten, zu warten, denn der gastgebende
König und seine Frau würden sich verspäten, weil ihre Kutsche auf der
Fahrt vom Hauptschloss zum Sommerschloss einen Radbruch hatte.
"Wenn sie möchten, können sie auch gerne im Park spazieren oder sich das
Schloss anschauen", hatte der Diener noch gesagt, bis er diskret
verschwand.
König und Königin tranken aber Tee unter den alten Bäumen, währenddessen
Prinzessin
Stacheldraht durch das Schloss lief und sich die großen alten
Bilder anschaute. Nicht wissend, dass der junge Prinz auch im Schloss war, sich
aber ohne seine Eltern nicht traute, guten Tag zu sagen.
Durch eine leicht geöffnete Tür hörte Stacheldraht eine Stimme. Sie
hielt inne und sah durch den Türschlitz, dass ein junger attraktiver
Mann vor dem Spiegel stand und mit sich redete. Dabei sah er traurig und
ein bisschen verärgert aus.
Ganz leise stand die Prinzessin vor der Tür, hielt fast den Atem an,
damit sie verstehen konnte, was er sagte. Der Prinz sprach zu seinem
Spiegel
Was mach ich nur
was soll ich nur tun
wie kann ichs wagen
was soll ich sagen
mir wird Angst und Bang
soll ich denn einsam sein ein Leben lang
ich spür schon kalten Schweiß
nur weil ich Misthaufen heiß
Beim letzten Satz hielt die Prinzessin nichts mehr auf ihrem Platz ...
sie stürmt in das Zimmer hinein, stellt sich vor den Prinzen und sagt:
Tja, nun hamwa den Salat
denn ich heiß Stacheldraht
Dann lacht die Prinzessin ... ein wunderschönes Lachen, ein Lachen, so
schön wie sie selbst .... und das Strahlen ihrer Augen zündet im Herzen
des Prinzen ein Licht an ... und noch am selben Abend verlieben sich die Beiden
und bald wird die Hochzeit sein.
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