... was ich zu ADD zu sagen habe.
Dies geschieht aus meiner subjektiven Sicht heraus, vom Standpunkt eines
Menschen, der wie jeder ADDler nicht nur ADD hat, sondern auch eine
Vergangenheit, die Verhaltensweisen beeinflußte.
Es gibt die "Hypies", deren Aktivität mehr nach außen gerichtet ist,
und die "Hypos", die mehr mit ihrer inneren Gedankenwelt zu kämpfen
haben, zu denen ich mich auch zähle.
Die nachfolgenden Statements sollen nicht stellvertretend für das ADD an sich
stehen, sondern für meine Sicht des ADDs.
Stimulation
ist eigentlich die große Überschrift des ADD. Auch wenn man sich derer gar
nicht immer bewußt wird. Selbst die ruhigen, die doch eigentlich nur da sitzen
und nichts tun, suchen nach Stimulation. Denn innen sind sie alles andere als
ruhig. Die Gedanken suchen immer nach etwas, worüber man nachdenken, grübeln,
zweifeln kann. Leider sind die Gedanken zu oft negativ bestückt, weil Negatives
eben besser stimulieren kann
"scannen"
wenn ich schon mal bei den Gedanken bin. Oft habe ich den Eindruck, ich habe
einfach zuviel davon. Einen Kopf für drei. Mein Gehirn scannt alle Winkel des
Denkens ab und weiß mit seinen Gedanken nicht wohin. Mal abschalten, mal
einfach abschalten können möchte ich. Leider ist dieses "scannen"
irgendwann erfolgreich, leider sind es aber oft Grübeleien und Zwangsgedanken,
die ich gefunden habe. Das Abschalten gelingt am ehesten mit Hilfe von Alkohol,
Zigaretten oder ähnlichem. Den Zeiten, als ich regelmäßig Bier oder Wein
getrunken habe und geraucht, trauere ich oft nach.
Jähzorn
hat auch was mit mangelnder Impulskontrolle zu tun. Wenn man für diesen einen
Augenblick des Zorns nicht in der Lage ist, seinen Gefühlsausbruch zu
kontrollieren. Später tut es einem dann oft leid, und es ist auch wieder gut,
denn nachtragend sind ADDler normalerweise nicht. Nicht wirklich, auch wenn
manche Geschehnisse lang im Gedächtnis bleiben können.
sofort
wenn ich mich entschieden habe, etwas zu tun oder kaufen zu wollen, dann muß
das auch sofort sein. Dann soll sich alles diesem Wunsch unterordnen.
Ziele
immer ein Ziel vor Augen zu haben, das wäre wichtig. Aber es müssen Ziele
sein, die interessant sind, sonst werden sie schnell langweilig. Und die
Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen, darf nicht überfordern. Sie muß am besten
in kleine Einzelaufgaben zu gliedern sein. Doch es kann oft passieren, daß man,
wenn man weiß, "wie" man die Aufgabe angeht, sie dann schon beginnt
langweilig zu werden. Das Planen, wenn es nicht überfordert, ist das Schönste.
Das Umsetzen in die Tat ist aber leider nicht eine automatische Folge der
Planung.
die Größe der Sache
es ist für mich oft nicht zu überblicken, wie wichtig eine Sache eigentlich
ist. Denn die Wichtigkeit für mich richtig sich nicht nach sachlichen
Kriterien. Sondern danach, wie wichtig "ich" sie empfinde. Da können
dann Gedanken, von denen ich weiß, daß sie eigentlich irrelevant sind, zu
erstaunlicher Macht gelangen. Während die eigentlichen wirklich wichtigen
(Alltags)Dinge vernachlässigt werden.
im Nacken sitzen
Oft sitzen mir unerledigte Dinge im Nacken. Das wird mir bisweilen gar nicht
bewußt, daß diese Dinge doch mein Fühlen belasten. Wenn noch etwas
"ansteht" und ich nicht weiß wie, belastet das mich, ohne daß ich
die Belastung dieser Ursache zuordnen kann. Wenn dann eine Lösung gefunden oder
die Aufgabe erledigt ist, dann fühle ich mich berfreit und weiß erst dann,
daß ich überhaupt belastet war.
flexible Starrheit
ich bin ein flexibler Mensch. Dachte ich bisher immer. Doch ich mußte
feststellen, daß ich nur dann flexibel bin, wenn ich gerade flexibel sein
möchte. Im Prinzip versuche ich meinen Tagesablauf klar vorzuplanen. Ganz
freibleibend mit viel Phantasie zum Abweichen. Doch nur wann ich will. Wenn
jemand anderen meine Pläne durchkreuzt, dann bin ich sehr starr und oft nicht
in der Lage, auf meine Gegenüber einzugehen
Maßstab
wie mich jemand anschaut, wie er die Worte betont, welche Worte er wählt, die
Gestik - einfach alles mache ich zum Maßstab für mich. Mein Gegenüber ist
für mich der Gradmesser der Richtigkeit meines Verhaltens. Ist er nett und geht
auf mich ein, dann ist alles in Ordnung. Ist er gerade mit sich selbst
beschäftigt, fühlt sich nicht wohl und ist deswegen nicht so gut drauf, dann
beziehe ich das auch auf mich. Und frage mich, was ich falsch gemacht habe.
Grundlos.
"ich fühle mich
gestört"
erwarte, daß meine Frau morgens um zehn zu mir kommt und sie tut dies schon
eine Stunde früher, dann "fühle ich mich gestört", weil ich noch
nicht darauf eingerichtet bin. Dieses Gefühl habe ich sehr oft, und bedingt,
daß ich mich um meine Idee des Tagesablaufes sehr in der Vordergrund stelle. Da
ich nicht flexibel bin, wenn ich gerade einen anderen "Plan" habe,
führt das auf Dauer dazu, daß ich sehr den Ablauf der Dinge bestimme(n will).
freundliche Grenzen
oft ist es wichtig für mich, Grenzen zu sehen und gesteckt zu bekommen. Da kann
ich mich durchaus damit wohler fühlen als wenn ich "frei" bin. Denn
eine große Freiheit gibt auch eine große Freiheit der Gedanken. Und die
führen oft in grüblerische Untiefen. Aber die Grenzen um mich rum müssen
freundlich sein. Wohlmeinend und mit dem sichtbaren Willen, mich nicht
einzuengen gesteckt sein.
unpünktlich, aber
zuverlässig
sehr zuverlässig bin ich, aber chronisch fünf bis zehn Minuten zu spät. Weil
ich es bis auf die letzte Minute aufschiebe, bevor ich meinen Hintern aus dem
Haus bekomme. Denn immer dann, wenn ich eigentlich fort muß, gibt es auf einmal
soviele wichtige Dinge, die ich noch erledigen könnte. Muß ich nicht fort,
gibts die komischerweise oft nicht. Und so verlasse ich auf den letzten Drücker
das Haus. Genau ausgerechnet. Wenn dann alles glatt läuft und kein Stau kommt,
bin ich einigermaßen pünktlich. Ist aber Stau oder so, dann gerate ich aus dem
Häuschen, weil ich null Zeitpuffer habe.
Unklarheiten
ich kann gar nicht damit, wenn ich einer Sache gegenüberstehe, die für mich
nicht "aufgeht". Wenn irgendwo ein logischer Bruch drin ist oder ein
Puzzlstück fehlt, werde ich solange darüber nachdenken und zweifeln, bis ich
im Gespräch alles geklärt habe. Solche Gespräche können aber lästig lang
und immer wieder von denselben Fragen meinerseits begleitet sein.
Distanz
für mich ganz wichtig. Mein eigenes Rückzugsgebiet haben. Dorthin können, wo
ich und meine Traumwelten ungestört sein können. Ich bin verheiratet und
trotzdem wohnen ich und meine Frau in verschiedenen Wohnungen. Immer jemand zu
Anlehnen haben, aber doch sich immer wieder zurückziehen können. Oft habe ich
schon die Erfahrung gemacht, daß Partner von ADDlern sich diese gerade deswegen
ausgesucht habe, weil die ihnen nicht immer auf der Pelle sitzen. Auf der
anderen Seite kann ich aber genau so gut klammern wie fortlaufen. Wie ein
Jojoband oft.
Potential
ein
fast unerschöpfliches Reservoir an Kreativität, Originalität und Ideen
abseits der ausgelatschten Pfade. Nur leider sind sich ADDler dieses Potentials
oft nicht bewußt. Doch wenn sie es irgendwann erkennen, dann sind sie zu Großem
fähig. Sie brauchen aber immer wieder Bestätigung und Ansporn.
Mittelpunkt
ADDler
sind sich selbst immer Mittelpunkt. Nicht, weil sie sich zu wichtig nehmen,
sondern weil sie zur sehr ihrer augenblicklichen Stimmung ausgeliefert sind.
Zweifel
am ADD
sind
für mich ein Indiz für ADD. Die grundsätzliche Neigung zum Grübeln
findet hier ein wunderbares "ob denn wohl oder nicht oder doch"-Gebiet.
ADDler zweifeln jedoch nicht nur am ADD, sondern auch an vielen anderen Dingen.
Entscheidungen
ADDler
können bisweilen entscheidungsunfähig sein. Oft stellt sich ihnen ihr
Perfektionismus in den Weg. Erst nachdem alles bedacht (und ADDler können lange
denken) und immer wieder abgewogen ist, wird eine Entscheidung gefällt. Aber
kurz vorher müssen ja noch die neuesten Entwicklungen bedacht werden ;-) .
Zweiteilung
In meinem Gehirn ist es oft so, daß ich mich meinen Gedanken ausgeliefert fühle.
Weil ich um deren Unsinnigkeit weiß, aber trotz diesem Wissen nicht in der Lage
bin, mit diesem Wissen die Gedanken zurückzudrängen. Es ist wie eine
Handlungsinstanz, die nicht den notwendigen Überblick hat und eine
Kontrollinstanz, die sich nicht durchsetzen kann.
infantil
und faul
Leider
decken sich viele Eigenschaften des ADDs mit Verhaltensweisen, die man gemeinhin
als "infantil" und "bequem" tituliert. Doch damit trifft man
nicht den Kern der Sache. Nur weil eine Impulskontrolle fehlt, mag einem das
infantil vorkommen. Weil eben Kinder diese Kontrolle auch nicht ausgeprägt
haben. Und nur weil man sich von den vielen Gedanken nicht lösen und sich
aufraffen kann, etwas zu tun, mag einem das bequem vorkommen, weil bequeme
Menschen eben auch so sind. Doch wären wir kindisch und bequem, dann würden
wir uns nicht so viele Gedanken machen, ob wir denn kindisch und bequem wären.
Es ist die Unfähigkeit, erwachsen zu sein, oder besser, das was die
Gesellschaft uns als "erwachsen sein" vorgibt.
Messies
Viele ADDler sind "Messies". "Messie" kommt von "Mess",
dem englischen Wort für Durcheinander. In vielen ADDler-Wohnungen ist dieses
Chaos zu bestaunen. Nicht wenige erfahren von ADD, wenn Sie nach Informationen
über Messies suchen.
Ach ja,
so sieht
übrigens eine aufgeräumte Wohnung aus.
Und doch gehört
diese Wohnung einem Messie. Denn vorher sah sie
so
aus. :-)
Selbstvertrauen
zwei Dinge sind ursächliche für die Schwierigkeit, Selbstvertrauen aufzubauen.
Zum einen, das Feedback gegenüber ADDlern oft so
ausfällt, daß ihnen ganz deutlich wird, daß sie "anders" sind. Und
zum anderen ist es die Überlagerung der augenblicklichen Stimmung, die einem
das, was schon mal gelungen ist, als zu weit weg erscheinen läßt. Weil ein
positives Erlaubnis eben gestern war und schnell im Nebel der Zeit entschwindet.
Deswegen ist eine ständige Ermunterung so wichtig.
Anderen
vertrauen
Das hängt direkt mit obigem zusammen. Wer sich selbst nicht vertraut und ich
sich Herr der Lage fühlt, der hat auch Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen.
Ich kann es bis heute nicht. Sicher sagt mir mein Verstand immer, daß ich
keinen Grund habe, "nicht" zu vertrauen. Aber eine Kleinigkeit kann
alles ins Wanken bringen. Denn Kleinigkeiten werden nicht immer als klein
erkannt, auch Absurdes wird in die weite Gedankenwelt kommentarlos integriert.
Hamster
mein ungeliebter Freund in mir. Er steht stellvertretend für Gedanken. Und er läuft
und läuft in seinem Rad, so wie die gleichen Gedanken immer und immer wieder
gedacht werden. Das kann sich bis zu zwanghaftem Denken entwickeln.
Körpergefühl
der ADDler besteht viel mehr aus Kopf und viel weniger aus Körper wie andere. Auf der kopfgesteuerten Suche nach Stimulierung ist es oft
der Körper, der destruktives Verhalten ausbaden muß. Essen, Trinken, Rauchen,
Beißen und vieles mehr kann an der Tagesordnung sein. Doch das Sport auch
Stimulierung sein kann, ist nicht jedem nahe.
Zwischenmenschliches
Viele
ADDler haben Schwierigkeiten in Zweierbeziehungen. Es ist wahrscheinlich genau
so anstrengend an der Seite eines ADDlers, wie es aber auch wunderschön sein
kann. Doch leider überwiegen bisweilen die Schwierigkeiten, was die vielen
gescheiterten Beziehungen uns lehren. ADDler brauchen viel Liebe, viel Verständnis
und viel Humor. Aber auch viel Freiheit. Man kann ADDler und "Normalo"
unter einen Hut bekommen, keine leichte, aber eine lohnende Übung. Auch ADDler
und ADDler können funktionieren, was noch weniger leicht ist, aber sicher nie
langweilig ;-).
Kohlehydrate
Sucht nach Kohlehydraten, die erst dann als "Fehlfunktion" des Körpers
erkannt wird, wenn man nach Medikamenteneinnahme feststellt, daß diese Sucht
dann nicht mehr in diesem Ausmaß besteht. Bis zu diesem Zeitpunkt glaubte ich
immer an eine Sucht psychologischer und physiologischer Natur.
Ritalin
gilt als das Medikament, dem es gelingen kann, im Gehirn für positive
physische Veränderungen zu sorgen. Erst durch seine Wirkung wird vielen bewußt,
wie physisch das Problem ist und wie wenig das alles mit "nicht
wollen" zu tun, sondern einfach ein "nicht können" ist. Ritalin
nehme ich heutzutage nur noch situativ. Ritalin hilft meines Erachtens einzig
und allein, die Konzentration zu verbessern. Das macht es wirklich. Aber es
entscheidet nicht, aus was man sich konzentriert. Wenn man also am Grübeln ist,
dann kann man sich u.U. verstärkt aufs Grübeln konzentrieren. Hat man aber
eine genaue Vorstellung, was man tun will, dann hilft es, diese auch umzusetzen.
Doch wie Ritalin im individuellen Falle wirkt, sollte jeder für sich
unbeeinflußt testen. Mit Rücksprache eines Arztes natürlich.
Gedanken
ADDler sind Meister des Grübelns. Die relative Größe einer Sache, über die
nachgedacht wird, ist dabei unwichtig. Eine Maus zum Elefanten zu machen, ist
eine ganz leichte Übung. Diese Maus wird aber auch als Elefant empfunden und
eine realistische Einschätzung der Größe ist dann gar nicht möglich.
im
"Kleinen"
Oft
sind ADDler nicht in der Lage, im "Großen" zu denken, sondern nur im
"Kleinen". So wie ein Schachspieler, der nur den laufenden und den nächsten
Zug überblicken kann, sich aber in der Weite der Überlegungen für die nächsten
Züge verlieren kann.
Vergeßlichkeit
Es kommen immer so viele Gedanken hinzu, und man kann ja nicht alles behalten
;-).
....
was wollte ich jetzt noch alles schreiben ?
.... grübelgrübel
.... weiß nicht mehr, deswegen jetzt aber schnell zurück
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