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März  23
 

Conny


Das ist Conny



mein heutiger Interviewgast.


1. Hallo Conny, ich kenn Dich nun schon länger. Falls ich jetzt auf die Idee käme, Dich anzurufen, würde was passieren ?

Also da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Wenn du viel Glück hast, würdest du mit dem liebenswertesten Kind dieser Welt sprechen und es würde für mich dolmetschen.

Mit nur einer kleinen Portion Glück ist unser Anrufbeantworter dran und was diese Maschine so spricht, weiß ich gar nicht, O-Ton Philips halt.

Und das schlechteste Szenario vermittelt wohl, dass niemand außer mir zu Hause ist, und auch niemand abhebt, obwohl ich daneben sitze und meine Wohnung wie verrückt leuchtet. Denn ich habe eine Lichtanlage, die mir viele akustische Sachen in Signale umwandet, Wecker, Telefon, Fax, Türglocke, Babygeschrei, Personenruf und was weiß ich noch alles. Das sieht abends besonders toll aus, wenn man draußen vorbei geht ;).

2. Du hörst also gar nichts oder doch ein bisschen was ?

Ich spüre sehr viel, z.B. wenn mein Sohn die Musik laut aufdreht, dann bebt mein Tisch. Oder wenn die Haustür ins Schloss fällt, dann zittert der Boden ... man wird wieder sehr empfindsam.

Ich habe auf einem Ohr noch Hörreste im tiefen Frequenzbereich, zum Beispiel ein Flugzeug oder so was. Nur weiß ich eben nicht, was das ist und muss immer fragen. Mir fehlt nach so vielen Jahren komplett die Verknüpfung zwischen dem Geräusch und dem Verursacher.

Und dann habe ich natürlich meinen Kater Felix, er ist das beste Hörgerät dieser Welt ;)

3. Wie ist es, wenn Du einen Kopfhörer nimmst mit ganz lauter Musik drauf ?

Ich habe das noch nie probiert .... kenne solche Kopfhörermethoden aber von den diversen HNO-Ärzten, zu denen ich immer mal wieder muss und wo ich dann auf Herz und Nieren .... ähhh auf Hören und Sehen .... durchgeprüft werde ;-). Da muss man zum Beispiel so ein Piepserl drücken, wenn man was hört, erst auf dem einen Ohr, dann auf dem anderen, dann hinter dem Ohr usw.

Und manche sind oft so verzweifelt, dass sie das so laut hinaufstellen und mir der Kopf mächtig dröhnt, oft habe ich dann Kopfweh, weil alles drinnen "wackelt".

4. Kannst Du Lippen lesen ?

Ja klar, blieb mir nichts anderes übrig, meine Eltern haben mich immer in eine "normale" Schule geschickt, hier gab es weit und breit keine Einrichtungen für Menschen wie mich.

Hat für mich zu Hause natürlich viel Nachlernarbeit bedeutet, weil ich im Unterricht selbst fast nichts mitbekam. Ging aber ganz gut, bis auf Englisch, da habe ich die Aussprache lange nicht beherrscht und schon mal eine 3 nach Hause gebracht ;-).

5. Auch was so im Fernsehen läuft ?

Schwer, also manche Nachrichten gehen schon, zum Beispiel die ZiB im ORF. Aber sonst bin ich sehr auf Untertitel angewiesen und die gibt es eigentlich nur im öffentlich rechtlichen Fernsehen. Aber DVDs erschließen für mich eine völlig neue Filmwelt, fast alle haben Untertitel! Das ist schon Wahnsinn.

6. Du hörst nichts mehr, seit Du 7 bist ?

Ja richtig, ein Gehörsturz. Vermutlich habe ich zu viel getaucht im Bad, dann kam Fieber und so und ein paar Tage später war alles vorbei. Mit 9 dann die Masern und da war auch der Rest futsch.

7. Du schließt eine psychische Komponente aus ?

Ja klar ;) ... ähm, was soll ich da noch schreiben?

8. Hast Du denn noch eine Vorstellung von den Tönen, die Du in den ersten sieben Jahren Deines Lebens gehört hast ?

Das kommt oft ganz plötzlich und ich summe dann mal eine Melodie aus meiner Kindheit,
z.B. Biene Maja ;).

An einen Vogel im Wald, ein Käuzchen, an den erinnere ich mich sehr gerne zurück. Leider geht das nicht auf Kommando. Passt hier zwar nicht so ganz her, muss ich aber doch erzählen.

Mein Sohn machte kürzlich im Musikunterricht die österreichische Gruppe EAV durch, die in den 80er Jahren ziemlich bekannt waren. Damals, ich war 15 und das erste Mal so richtig verknallt, habe ich alle Hits dieser Gruppe auswendig vom Text her gelernt. Der junge Mann damals sollte nichts von meiner Behinderung erfahren und hat mich auf ein EAV-Konzert nach Graz eingeladen. Mein erstes und bisher einziges Konzert! Mein Sohn hat so eine CD und hört eben diese alten Lieder immer wieder im Auto an und mir fallen heute, nach fast 20 Jahren, immer noch die Texte ein, die ich damals gestrebert habe.

9. Macht das Taubsein einsam ? Zieht man sich zurück, weil man nur über Lippenlesen kommunizieren kann ?

Das Taubsein alleine wohl eher nicht, aber ich kann da nicht für alle sprechen, weil ich durch das Lippenlesen kaum als behindert auffalle unter normalen Umständen.

Ein Bart, ein anderer Dialekt oä., da wird es für mich aber schon schwierig. In der Masse bin ich oft untergegangen und habe viel länger als andere gebraucht, um eine Position in einer Gemeinschaft zu haben. Aber dann klappt es gut.

Natürlich passiert es mir immer mal wieder, dass ich keine Chance habe und für dumm gehalten werde, zum Beispiel wenn ich von irgendwo ohne Blickkontakt angesprochen werde, wenn in Arztpraxen nur über diese dummen Lautsprecher aufgerufen wird und alle nach-mir-Gekommenen vor mir nach Hause gingen, wenn ein Haus nur Gegensprechanlage hat und und und ...

Ein bisschen stört mich übrigens das "nur" in deiner Frage. Mach doch mal eine Probe, stöpsl deine Ohren zu und unterhalte dich mit Beate. Oder schalte den Ton beim Fernseher aus. Na? Aber ich weiß, dass du das nicht so gemeint hast.

Das Lippenlesen hat ja auch seine Vorteile, ich lass mich nicht so leicht ablenken und verstehe oft auch Sachen, die weit weg sind oder ohne Ton gefilmt wurden. Einer meiner Ärzte im Wiener AKH beispielsweise, der versucht mich immer wieder an meine Grenzen zu bringen und testet mich, bis der Teufel rauskommt. Da hat sich so eine Art Spiel entwickelt zwischen uns, verstehe ich das oder doch nicht .... ;-). Dort gibt es eventuell eine Operation für mich, die mir zumindest bei einem Ohr helfen könnte, die Risiken sind aber sehr hoch und die Kosten auch. Mal sehen, ob ich das machen lasse.

10. Welche Rolle spielt das Internet für Dich ?

Oh, eine sehr große, weißt du doch *lach*. Ich bin mit PCs aufgewachsen, mein Vater war ein Technikfreak.

Später war ich eine der ersten in Österreich, die einen privaten Anschluss ergattert hatten und heute mache ich auch sehr viele Webseiten und fast meine ganze Kommunikation. Das Internet hat mir sehr viel Unabhängigkeit gebracht, ersetzt aber sicher ein Telefon nicht ganz, weil es keine sofortige Rückmeldung gibt, zumindest im normalen Bereich.

11. Hast Du noch Dinge auf dem Herzen, die Du hier im Kalenderblatt loswerden willst ?

Klar .... also erstmal will ich dich interviewen, dann schick doch bitte deine Kalenderblatt-Besucher auf meinen Kopfsalat und verhilf mir zu einem neuen Besucherrekord *fg* und .... hm .... grüß all da draußen in der weiten wwwWelt ganz lieb von mir!

Ich würde mich riesig freuen, ein paar neue Bekanntschaften zu machen mit behinderten oder "un"behinderten Menschen.

Danke und liebe Grüße, Conny :))

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Ich habe zu danken, liebe Conny, für dieses Interview !!
Und das mit dem neuen Besucherrekord, das kriegen wir schon hin, gelle, liebe Kalenderblattleser ??

Und nun alle rüber zu Conny, schauen und ins Gästebuch schreiben (oder mailen) ... :))




interessanter und wichtiger Tageslink: visuelles Denken

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Mein Grüße gehen heute nach Klausen in Südtirol und an Alle, die bei Conny einen Gästebucheintrag machen ;)).

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