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Oktober  11
 

"die Kurzgeschichte"



Blut ... das war eindeutig Blut, der Fleck auf dem Boden. Ich konnte ihn genau sehen, wenn ich knapp am Rand der Zeitschrift vorbeiblickte. Aber nur nichts anmerken lassen ... ganz ruhig im Stuhl beim Friseur sitzen blieben. Die Friseuse kommt gleich und bis dahin muss ich mich sortiert haben.

Bin ich Zeuge eines Mordes gewesen, oder war es nur ein Unfall. Hatten die Schreie, die ich vom Friseursalon hörte, als ich aus meinem Auto ausstieg, doch etwas zu bedeuten. Ich hatte sie gehört, aber mir nichts weiter draus gemacht ... ab und zu schreit ja jemand aus den verschiedensten Gründen.

Aber nun waren es nicht nur Schreie und wenn ich die Revue passieren lasse, waren es die letzten Schreie eines getöteten Menschen. Mich fröstelt ...

Aber wer sollte hier mitten am Tag umgebracht werden ? Gut, der Friseursalon war leer ... aber ... mir fällt es gerade wie Schuppen von den Augen ... diese eine Dame, die da im Kopftuch an mir vorbeistürmte, als ich zur Tür hereinkam ... ja, genau, jetzt gibt auch ihre Eile und die Andeutung der Verzweiflung in ihrem Gesicht einen Sinn ... das war eine Komplizin ... die sich aufgelöst aus dem Staub gemacht hat.

Das kann aber nur eine Affekttat gewesen sein, wer plant schon einen Mord mitten am Tag im Friseursalon.

Wo war eigentlich die Tochter des Friseurehepaars ? Die war sonst immer da, wenn ich mir die Haare schneiden ließ. Und ich ging immer Mittwoch morgens um 10 Uhr zum Friseur, da war nie viel los und ich oft der einzige Kunde.

Ich versuchte, einen ganz unauffälligen Blick zu Herrn und Frau Schneider zu werfen. Die standen da an der Theke und tuschelten. Leise, aber merkwürdig nervöse Worte.

Da ... der Name "Marlene" fällt ... so hieß die Tochter ... die immer da war, nur heute nicht. Tote können eben nicht mehr Haare schneiden. Nicht, dass ich jetzt nur von der Tochter bedient werden wollte, meistens war das so, aber die Mutter konnte genauso gut schneiden. Und was kann man schon bei meinem schütteren Haar verkehrt machen.

Ich wunderte mich selbst über meine Kühnheit, als ich fragte "ist denn die Marlene heut nicht da, die hat mir beim letzten Mal so gut die Haare geschnitten, wäre klasse, wenn sie das auch heute machen könnte".

Diese kleine Pause ... bis ich Antwort bekam ... die war schon höchstverdächtig ... und die Antwort passte genau: "tut mir leid, Marlene kann ihnen heute die Haare nicht schneiden, ich komm gleich zu ihnen ... wollen sie noch einen Kaffee".

Nein danke, keinen Kaffee ... mir ist schon schlecht ... und ... wie lange werde ich noch leben ? Schließlich konnte es sein, dass sie mich als Zeuge eines Mordes wähnten ... Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und Zeugen, selbst wenn es Ohrenzeugen sind, das, was man am wenigsten brauchen kann. Man stelle sich vor, ich gehe zur Polizei und sage alles, dann könnten die nicht mehr behaupten, die Tochter wäre in Urlaub oder so ... sie kommt !!

Die Chefin kommt, eine Schere in der Hand ... ein kurzer Blitz durchzuckt mich, als das sich in der Schere spiegelnde Lampenlicht auf meine Augen trifft ... ist dieser Blitz nun das letzte, was ich in meinem Leben sehe ?

Meine Schulterblätter zucken, als sie ihre Hand drauf legte. Vielleicht mein letztes Zucken ... bevor die Schere meinen Hals durchbohrt ... vieleicht ersticke ich auch, wenn mir noch lange der Atem stockt.

Ich spüre, wie sie die Schere öffnet ... und schreie "nein". Sie erschrickt und ich reibe mal schnell ganz fest meine Augen, es könnte ja sein, dass ich gleich aus einem Traum erwache. Doch ich erwache nicht ... und die Worte "was ist denn mit ihnen, warum schreien sie denn so" dringen an mein Ohr.

"Ähhm ... ich wollte ... ich meine ..." mein Gott, ich höre mich an wie ein Nachrichtensprecher, der seinen Text vergessen hat "... ich ... ähh ... will mir doch nicht die Haare schneiden lassen, die sind noch zu kurz".

Ich fand meine Worte ja selbst ziemlich blöd, aber kurz vorm Tod spricht man halt mehr aus dem Bauch denn logische Sätze.

Sie scheint irgendwie verunsichert zu sein ... vielleicht überlegt sie kurz, ob die Sache einen zweiten Mord wert ist ... das ist meine Chance ... blitzschnell erhebe ich mich, lasse die Zeitschrift fallen und ...

... stoße mit Marlene, der Tochter des Friseurehepaars zusammen.

"Du lebst" sage ich fassungslos zu ihr ... und sie schaut mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Aber der Schrei vorhin ...

"Welcher Schrei ..."

"Ja, der Schrei, kurz bevor ich zu Tür herein kam" ...

"Das war die Frau Klönhofer" kommt auf einmal die Stimme von der Mutter, die war nicht so zufrieden, weil sie doch keinen Grünstich wollte.

Dabei schaute sie nicht mich kopfschüttelnd an ... was mich doch sehr wunderte ... sondern grimmig zu ihrer Tochter ... die daraufhin auf dem Absatz kehrt machte mit einem "es kann doch jedem mal ein Fehler passieren" ...

Leises Schluchzen drang aus dem Nebenraum ... und ich wünschte, ich würde nun neben mir stehen und hätte mit mir nichts zu tun ... stattdessen sagte ich "aber der Fleck da" und zeigte mit, so kam es mir vor, zitternder Hand, auf das Rote da an der Tür.

"Und den Marmeladenfleck hat sie auch noch nicht weggewischt" herrschte daraufhin die Mutter ihren Mann an, als wenn der etwas dafür könnte.

Ich rannte aus dem Friseursalon ... niemanden mehr in die Augen blickend ... zum Auto ... schaute nicht zurück ... wollte gar nicht wissen, welche Blicke mir nachgeworfen werden ... fuhr mit quietschenden Reifen an und ...

... werde mir wohl einen neuen Friseur suchen müssen.

© Engelbert Schinkel


PS: ich muss wohl dazu schreiben, dass ds keine erlebte, sondern eine ausgedachte Geschichte ist. Was soll ich denn beim Friseur *gg*. Bartschneider Stufe 1 reicht völlig aus ;).
 
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Und heute gibts wieder Vinylgefühl ... um 21 Uhr ... tolle Musik ... und ... ja, vielleicht sogar Poesie ;))

hier einschalten und hier chatten (Montags ist ja da immer viel los :) ).

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Ich grüße heute die Gemeinde Schipkau am Lausitzring :))




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