Nun die zweite Geschichte, von Mai-Anne erzählt:


Warten auf das Christkind ... vor 50 Jahren


Es sind nicht viele Erinnerungen, die ich an meine Kindheit habe. Ich bin in einer Landwirtschaft groß geworden. Mein Vater verlor seine Eltern im Kindesalter und war harte und schwere Arbeit gewöhnt. Auch für meine Mama kam zuerst die Arbeit in Stall und Feld und dann erst waren wir Kinder dran. Ich sage das ohne Vorwurf. Ich weiß, dass es keine andere Möglichkeit für sie gab.

Wie gesagt, ich hab nicht viele Erinnerungen an meine Kindheit – keine schlechten, aber auch keine nennenswerten "Events".

Nur an Eines, da erinnere ich mich jedes Jahr zur Weihnachtszeit: Am Heiligen Abend, nach dem Mittagessen, da steckte Papa seine Mundharmonika in die Hosentasche, nahm mich und meinen Bruder an die Hand und ging mit uns in den Kuhstall. Er setzte sich mit uns ins weiche Stroh und dann spielte er uns Weihnachtslieder vor: "Leise rieselt der Schnee", "Alle Jahre wieder", "Ihr Kinderlein, kommet" und "Tochter Zion" ... wir saßen ganz still einfach nur da und lauschten.

Da gab es keine ungeduldige Fragerei: "Wann kommt endlich das Christkind ??".

Die Kühe und die kleinen Kälbchen lagen zufrieden im Stroh. Es war warm und friedlich.

Mama schmückte in dieser Zeit den Baum und richtete im Wohnzimmer alles her für die Bescherung am Abend nach der Christmette.

Wie lange dieses „Warten aufs Christkind“ gedauert hat, weiß ich heute nicht mehr. Aber wenn ich daran denke, krieg ich feuchte Augen und ich bin meinem Papa unendlich dankbar für diese kostbaren Stunden im Stroh ...


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