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14. September 2011


Ein Gedankenwanderer
dichtet
wie kein anderer

belichtet
Buchstabenbegegnungen, die sich reimen
Gedankensprosse, die schnell keimen
wachsen, blühen und drauf liegt ne Katz
so ist Joachim, unser Ringelnatz


Er ist schon einer wie keiner, der Joachim
und seine Gedichte haben einen ganz eigenen Stil.
Ich hab mal 9 seiner Werke, die nicht so ganz bekannt sind, ausgesucht.



Verpufftes Gewitter

Hat mich ein Gewitter
Gestern so nervös gemacht.
Hat ein Magenbitter
Mich dann bös gemacht.
Sekt, den ich bestellte, weil
Ich froh werden wollte,
Wirkte nur ins Gegenteil.

Und der Donner grollte.
Daß ich herz- und magenkrank
Weiterbummelnd mich betrank.

Und ich weiß nur noch:
Eine Dame, die
Unterm Ärmel nach Lavendel roch,
Hat mich abgeküßt. — Ach und wie!

Und ich war vernarrt,
Weil sie so apart
Sagte, daß ich "herbstzeitlose" sei.
Diese Taschendiebin
Griff diskret und lieb in
Meine Tasche dabei.



Nun sieh mal an! Ei ei!

Nun sieh mal an! Ei ei!
Am Himmel stehn drei Sterne.
Vor kurzem standen da nur zwei.
Nun wüßt ich gar zu gerne
Was Näheres über die Ferne.
Denn etwas stimmt mir nicht dabei.



Ein Liebesnacht-Wörtchen

Ja — — ja! — — ja!! — — ja!!! — —
Du hast so süße Höschen.
Nun sind wir allein. Und es ist Nacht.
Ach hätte ich dir doch ein Röschen
Mitgebracht.



Bumerang

War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.



Unter Wasser Bläschen machen

Kinder, ein Rätsel! Hört mich an!
Wer es herausbekommt, kriegt Geld! – Wie kann
Man unter Wasser Bläschen machen?
Das müßt ihr versuchen – unbedingt! –
In der Badewanne. Und wenn es gelingt,
Werdet ihr lachen.



Alter Mann spricht junges Mädchen an

Guten Tag! – Wie du dich bemühst,
Keine Antwort auszusprechen.
„Guten Tag“ in die Luft gegrüßt,
Ist das wohl ein Sittlichkeitsverbrechen?

Jage mich nicht fort.
Ich will dich nicht verjagen.
Nun werde ich jedes weitere Wort
Zu meinem Spazierstock sagen:

Sprich mich nicht an und sieh mich nicht,
Du Schlankes.
Ich hatte auch einmal ein so blankes,
Junges Gesicht.

Wie viele hatten,
Was du noch hast.
Schenke mir nur deinen Schatten
Für eine kurze Rast.

 
 
Humpelnde Welt

Es bleibt nicht aus, daß man den Mut verliert,
Wenn man schon längere Zeit mit seinen wunden
Füßen herumexperimentiert. –
Ich hatte noch immer nicht den richtigen Schuh,
Die richtige Sohle, die richtige Salbe gefunden;
Ich sah – fast getröstet – anderen Humpelnden zu.

Und kam ein Morgen, ein kalter, unangenehmer,
Der hatte – mir günstig – mir freudige Post beschert.
Ich humpelte weinwärts, aber ich hinkte bequemer
Als sonst. Und fand alles Leben so lebenswert.

Ich glaube: es schneite, donnerte, regnete,
Rauchte. – Aber für mich nicht bestellt.
Mir lächelte alles, was mir begegnete.
Auch du kannst so schön sein, humpelnde Welt.



Geradewegs

Was in uns lebt, soll immer in uns leben,
Wenn's gut ist,
Was immer sich auch mag begeben
Und wie auch immer uns zumut ist.

Natürlich kommt's, daß wir zuweilen
Entgleisen.
Dann kann kein Eigensinn das heilen.

Doch schon mit einem versuchsweisen,
Reuigen Lächelchen
Flickst du
Das eingerissene Löchelchen
Wieder zu.



Schweigende Fahrgäste

Die Fremden, mit denen ich fahre,
Gezwungen einander gesellt —:
Aus jedem Augenpaare
Träumt eine andere Welt.

Doch wie ich mich allen verbinde
In schweigender Rätselei,
Irr ich vielleicht. Doch ich finde:
Man wird versöhnend dabei.
 



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