Christa erzählt:

Weihnachten war immer sehr schön.
Schon die ganze Adventszeit war unser Haus wunderschön dekoriert.
Im Wohnzimmer hingen lauter selbstgemachte rot-goldene Sterne an der Decke.
Es duftete nach selbstgebackenen Keksen, Mandarinen und Orangen.
Kekse backen mit Oma und Mama war immer toll.
Wir hatten damals in der Küche einen Holzofen.
Der brachte Wärme, man konnte darauf kochen und es roch wunderbar.

Als wir Kinder noch klein waren, las uns unser Vater
am Abend des 24. Dezembers die Weihnachtsgeschichte vor.

Unterdessen schmückte die Mutter (ähem - natürlich das Christkind) den Weihnachtsbaum.
Wenn das Christkind den Raum verliess, klingelte es mit einem Glöckchen
und wir durften ins Wohnzimmer. Dort waren dann jeweils neben einem
traumhaft schönen Weihnachtsbaum (meine Mutter war eine wahre Künstlerin)
eine selbstgemachte Krippe und natürlich die Weihnachtsgeschenke.

Jeder bekam ein "nützliches" Geschenk - aber auch immer etwas, was man sich gewünscht hatte.
 
Am 25. Dezember bekamen wir meistens Besuch von den Grosseltern, Tanten und Onkeln.
Damals fiel es mir nicht auf, aber heute denke ich, dieser Tag war wohl
für meine Mutter der anstrengendste des ganzen Jahres.
Sie hat den ganzen Tag alle bekocht und hatte keinen Moment für sich.
Trotzdem war für sie die Weihnachtszeit die schönste Zeit des Jahres.

Ein paar Jahre später verliefen unsere Weihnachtsabende ein wenig anders.
Der Baum wurde bereits am Nachmittag geschmückt.
Gegen Abend spazierten wir zusammen (mit Hund) zum Friedhof.
Der Spaziergang war besonders schön, wenn es geschneit hatte.

Wieder zu Hause gab es Weihnachtsessen.
In all den Jahren war das immer Kartoffelsalat.
Dazu durfte sich jeder die Sorte Fleisch oder Würstchen "bestellen",
die er (oder sie) am liebsten hatte. Nach dem Abendessen gingen meine Mutter und ich
zum Mitternachtsgottesdienst (die Männer waren nicht dazu zu bewegen).

Die Geschenke wurden erst ausgepackt, wenn wir wieder zu Hause waren.

In diesem Jahr werde ich zum ersten Mal Weihnachten ohne meine Familie verbringen.
Meine ganze Familie ist inzwischen gestorben (innerhalb von neun Jahren).
Der letzte von ihnen - mein Bruder - Ende Oktober dieses Jahres.

Ich hatte eine wunderbare Familie.
Es bleiben so viele wertvolle Erinnerungen an sie zurück.
Das ist viel mehr als manche Menschen haben.
 

 


Ev erzählt:

Berlin 1938 ... im November fiel schon der Schnee, die Weihnachtsbäume in den Straßenecken,
die dort zum Verkauf standen, waren auch eingeschneit.

Seit Anfang Dezember hingen an den Fenstern der Häuser,
die schon gekauften Bäume, mit der Spitze nach unten.
Das sah lustig aus und wir Kinder beobachteten und wetteten,
wie viele Bäume pro Haus es wohl gibt.

Alle meine Freundinnen hatten schon ihren Baum am Fenster hängen,
nur bei unserer Wohnung sah ich keinen Baum hängen.

Meine Frage an die Eltern "bekommen wir denn keinen Baum?" wurde mit Achselzucken beantwortet,
"wir wissen es auch nicht, vielleicht bringt ihn ja der Weihnachtsmann".

Am Abend des 24.12. konnte man schon in den Fenstern die Lichter
an den Weihnachtbäumen der Wohnungen brennen sehen.
Und wir hatten immer noch keinen Baum!

Außerdem waren die ganzen Ketten aus Buntpapier,
die ich gebastelt hatte, verschwunden.
Wahrscheinlich sind sie irgendwo im Abfall gelandet.

Abens um 7 Uhr schloß mein Vater unser Geschäft zu
und ich saß traurig auf der Treppe zur Wohnung nach oben,
denn nun werden wir keinen Baum haben,
der Weihnachtsmann hat uns vergessen.

Da klingelte plötzlich ein helles Glöckchen aus der Wohnung oben.

So schnell ich konnte rannte ich die Stufen hoch ... öffnete die Tür ...

... und sah unseren Weihnachtsbaum, auf dem 12 große Kerzen brannten,
geschmückt mit silbernem Lametta, Kugeln und ...

... mit meinen Ketten aus Buntpapier.

Und sogar das von mir gewünschte Puppenhaus stand da:


 

 


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