Xenophora erzählt:

Die Weihnachtszeit war ganz wunderbar in unserer Kindheit.
Nehmen wir mal das Jahr 1953, da war ich 9 Jahre alt.



Ich hatte zwei ältere Schwestern, unser Vater lebte noch.
Wir waren eine arme, aber zufriedene Familie.

Meine große Schwester Dorothea, die 8 Jahre älter ist,
erzählte uns kleinen Mädchen schon in der Adventszeit vom Christkind,
das am Weihnachtsabend die Geschenke bringen würde.
Abends, wenn wir beiden im Bett lagen, hat sie ja zusammen in der Küche
mit unserer Mutti und den Engelchen, die durchs Fenster geflogen kamen,
fürs Weihnachtsfest genäht und gestrickt.
Wir hörten sie singen und sangen leise mit.

Manchmal fanden wir morgens irgendwo einen goldenen Faden, den hatte ein Engelchen verloren.
Dadurch wurde unser Gespanntsein auf Weihnachten noch erhöht.

Einen Wunschzettel haben wir natürlich auch geschrieben und wunderbar bemalt.
Meist wünschten wir uns Anziehsachen für unsere Puppe
oder ein paar Kleinigkeiten für die Puppenstube. Das wurde immer erfüllt.

Wir Kinder durften den Weihnachtsbaum schmücken, den mein Vater im Wald geholt hatte.
Mit Lametta und vielen Strohsternen, die wir damals noch selbst bastelten,
und mit vielen kleinen Holzfiguren.
Bei anderen habe ich die Zuckerkringel am Tannenbaum bewundert,
das hätte ich mir so gewünscht, aber bei uns hing nichts zu essen am Baum.

Natürlich gab es nur echte Kerzen, aber die haben wir meist nur 10 Minuten brennen lassen
und danach nur noch eine, weil Kerzen doch so teuer waren.
Wir kannten fast alle Weihnachtslieder und konnten sie auch singen.

Der Nachmittag war ein gespanntes Warten.
Oft ging unser Vater mit uns spazieren.
Ich fand es schön, in die beleuchteten Fenster gucken zu können
und dahinter die Betriebsamkeit zu ahnen.

Um 18 Uhr aßen wir dann den Kartoffelsalat mit Kochwürsten in der Küche,
ich hatte kaum Hunger vor Aufregung.

Das Wohnzimmer wurde nur an Sonntagen geheizt, und zwar noch mit Holz und Kohlen.

Erst, wenn "das Christkind" das kleine Glöckchen, das auch am Tannenbaum hing,
zum Klingeln gebracht hatte, durften wir die Tür zum Weihnachtszimmer öffnen und staunen!

Der Weihnachtsbaum stand auf dem Tisch, auf dem die selbst gestickte Weihnachtsdecke lag.
Und all die Geschenke darunter waren mit Küchenhandtüchern zugedeckt.
Das Licht war aus, nur die Kerzen brannten.

Wir Kinder haben dann im Stehen gesungen "am Weihnachtsbaume die Lichter brennen"
und danach ein Gedicht aufgesagt.
Ich habe immer das Gedicht "draußen vom Walde komm' ich her" vorgetragen.
Meine Schwester Antonia konnte das Gedicht "Markt und Straßen steh’n verlassen"
von Eichendorff auswendig.
Unsere große Schwester spielte Flöte.

Für jedes Kind gab es einen bunten Teller mit genau abgezählten Nüssen,
Schokolade, Marzipan und einer Apfelsine.
Da haben wir später oft mal etwas getauscht.
Ich war oft traurig, weil ich mir nicht gut etwas aufheben konnte und sah,
dass auf den Tellern meiner Schwestern noch so viel lag, aber ich hätte nie gewagt,
etwas davon zu nehmen.

Dann durften wir nacheinander unter die Geschirrtücher gucken,
die Geschenke waren nicht eingepackt, wir hatten dafür scheinbar auch kein Geld.
Wir haben immer das Seidenpapier aufgehoben und gebügelt und die Schleifen zum Verpacken ebenso.
Meist bekamen wir neben den Spielsachen noch ein Buch.
Ich hatte mir das "Werkbuch für Mädchen" gewünscht,
daraus habe ich mir noch als Erwachsene Ideen geholt.

Die ganz große Freude war dann das Auspacken des großen Paketes von unserer Tante Toni,
wahre Schätze kamen da zutage ... ein neu genähtes Nachthemd, gestrickte Hüttenschuhe,
ein Buch und Marzipan in Form von Obst, was wir uns meist aufhoben,
weil wir es zu schade zum Essen fanden.
Wir bekamen meist auch einen neuen Schal oder eine Mütze und Handschuhe.
Welche Freude war es, wenn wir zur Mitternacht mit unserem Vater zur Christmette gingen
und dann die neuen Sachen anziehen durften.

Wir trafen dort andere Kinder, die uns auch von ihrer Bescherung erzählten.
Und wenn dann zum Schluss in der Kirche das Licht ausging und nur noch der Tannenbaum erleuchtet war
und wir alle drei Strophen des Liedes "stille Nacht, heilige Nacht" sangen,
wurde uns ganz warm ums Herz.

Den Weg durch die Dunkelheit an der Hand meines Vaters durch den knirschenden Schnee
in die geschmückte Kirche mit der wunderschönen Krippe und wieder nach Hause
habe ich noch in so guter und etwas wehmütiger Erinnerung.

Am 1. Weihnachtstag gab es immer eine Gans zum Mittagessen,
darauf hatten die Eltern lange gespart.
Und abends gingen wir immer heimlich an die Reste des kalten Bratens
und zupften uns ein bisschen Haut ab.

Nein, Stress gab es bei uns nie.
Es war immer sehr harmonisch.
Und nachmittags gab es dann Kaffee, Kakao und die wunderbaren Plätzchen,
die wir natürlich alle selbst gebacken und wunderbar verziert hatten.

Ich bin dankbar für diese Weihnachtsfeste.

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