Vorab: die Geschichte ist ziemlich lang und ich (Engelbert) dachte auch zuerst, dass sie "zu lang" sei.
Aber beim Lesen werdet Ihr feststellen, dass meine Bedenken unnötig waren.
Darum: einfach anfangen zu lesen.
 

 


Margarete erzählt:

Ja wie war Weihnachten bei uns ?

Wochen vorher verschwand meine Puppe.
Hatte nur die eine!
Als Antwort auf meine Frage wo denn die Puppe abgeblieben sei, kam ...

... "die wirst Du irgendwo liegen gelassen haben".
Ganz geschickt wurde ich von diesem Thema abgelenkt.
Naja, das Thema war eigentlich schnell vergessen, spielte ich doch mehr
mit Autos und den Nachbarskindern bei Wind und Wetter draußen.

Was hatte ich schon für Wünsche?
Vielleicht ein Märchenbuch oder ein Fahrrad, ach das bekomme ich sowieso nicht!
Ein paar neue Stiefel. So was wurde, obwohl ich es brauchte auf Weihnachen verschoben.
Bis dahin bin ich mit den alten Schuhen gelaufen.
Pullover, Hosen oder Schuhe die nötig waren, kamen auch unter den Tannenbaum.
Da wurde gesagt "mal sehen was das Christkind bringt".

Soviel hatte ich als Kind schon mitbekommen, das meine Eltern nicht viel kaufen konnten.
Mein Vater hatten gerade mit seinem Bruder ein Haus gebaut
und mein Vater als Kriegsversehrter mit einem Arm, als Pförtner mittlerweile tätig,
nahm selbst Dienste am Heiligen Abend, erster Feiertag oder Sylvester an.

Es wurden nur Dinge gekauft, die auch bar bezahlt werden konnten.
Ich hatte noch 2 wesentlich ältere Brüder und die hatten ja auch Wünsche.
Es war Bescheidenheit angesagt!

Also Heiligabend war mein Vater erst mal zum Dienst bis Mittag.
Zum Heiligabend gab und gibt es auch heute noch Kartoffelsalat und Würstchen.

Meine beiden Brüder schmückten den Baum, soviel durfte ich wissen.
Die helfen dem Christkind.
Hatte das doch soviel zu tun, überall.

Dann wurde die Wohnzimmertüre ab 15.00 Uhr verschlossen und ich hörte nur ein Rumoren.
Zu meinem Ärger durften meine Brüder rein und heraus.
Nur für mich blieb diese Türe verschlossen.

Das die Geschenke vom Christkindchen schon vorher bei uns deponiert wurden, wußte ich bereits.
Hatte ich doch beim Schnöwen im Schrank mal ein Geschenk, noch nicht eingepackt, entdeckt.
War ich vorher eine Schnöwnase, ab da nicht mehr.
Wollte ich mir doch die Freude an den Geschenken nicht selber nehmen.

Durchs Fenster konnte ich auch nichts sehen, hatten se doch die Rolläden herunter gelassen.
Auf meine Fragen "wie denn das Christkind durch die Türe, Fenster, Kamin käme",
wenn alles verschlossen und ich kaum noch die Türe aus den Augen ließ,
gab es keine befriedigende Antwort.
Und ich wollte doch das Christkindchen so gerne sehen.

Mittlerweile war Mutter mit den Arbeiten in der Küche für diesen Abend
und mit Vorbereitungen für den nächsten Tag und dem Beaufsichtigen des Baumschmückens
und der Aufteilung der Weihnachtssüßigkeiten auf die verschiedenen bunten Papptellern
und dem Einpacken von Geschenken so im Stress,
das mit Regelmäßigkeit meistens noch ein Arztbesuch anstand.

Einmal ist Ihr im Auge ein Äderchen geplatzt und Auge war rot unterlaufen.
Ein anderes Mal ist sie in der Hektik gefallen und der Knöchel war grün und blau.
Da kam Freude auf.
Ab zum Notarzt!
Weihnachten ohne solche Überraschungen, wurden rot im Kalender angestrichen.

Bis zur Bescherung schaute ich im Fernsehen "wir warten aufs Christkind" an.
Gab nur dieses eine Programm.
Oder, um mich "unter de Föß" wegzubekommen (Mutters Ausspruch),
ging mein Bruder mit mir Schlitten fahren.
Damals hatten wir noch Winter im Rheinland!

Am Nachmittag tranken wir Kaffee, natürlich mit Kuchen.
Für mich dauerte das alles so endlos!
Oftmals brachte Papa von der Arbeit unverhofften Besuch mit.
Zum Leidwesen meiner Mutter, die noch aus dem Hut ein Geschenk für diesen Gast zaubern mußte.

Wir waren in den 60er Jahren und die Gastarbeiter kamen ins Land
und viele wohnten damals in Baracken mit Etagenbetten und waren dann am Heiligen Abend alleine,
weil Sie kein Geld hatten, um in die Heimat zu fahren und Papa nahm oft
1-2 Italiener von der Arbeit mit nach Hause, Weihnachten feiern.
Auch wenn dann etwas dicke Luft herrschte, weil Papa immer wieder Fremde
mit an Weihnachten anschleppte und Mutter darüber sauer war.
Brachte das Ihren Plan, alles schön zu machen, durcheinander.
Heute weiß ich ... das war Weihnachten.

Mit Einbruch der Dämmerung aßen wir den Kartoffelsalat und Würstchen,
dann klingelte ein Glöckchen "das Christkind war da", aber vorher hatten sie mich,
unter einem fadenscheinigen Vorwand zur Tante in die erste Etage geschickt, um etwas zu holen.

Und wieder hatte ich das Christkindchen nicht gesehen.
War gerade aus dem Zimmer geschwebt.
Ich hätte es doch sehen müssen!
Die Erwachsenen knipsten sich belustigt ein Auge und schmunzelten.

Der Christbaum strahlte in hellem Glanz wunderschön geschmückt.
In den ersten Jahren noch mit echten Wachskerzen.
Später waren es aus Sicherheitsgründen elektrische Kerzen.
Ein Baum mit viel Lametta, und noch Wunderkerzen,
Glasvögelchen mit Glasfaserschwänzchen und silbernen Kugeln.
Jedes Jahr kam etwas an neuem Schmuck dazu.

Wir sangen Weihnachtslieder und wünschten einander Frohe Weihnachten.
Das bei uns die Weihnachtsgeschichte jedes Jahr vorgelesen wurde,
da kann ich mich nicht daran erinnern.
Eine Krippe stand aber immer unterm Weihnachtsbaum.

Auf dem Tisch standen Weihnachtspappteller mit Lebkuchen, Nüssen, Mandarinen,
Marzipan, Knickebein ... Süßigkeiten, die es sonst nicht gab.
Es war Bescherung!

Da stand doch tatsächlich ein Fahrrad.
In einem Körbchen, am Fahrrad, saß meine verloren geglaubte Puppe mit einem neuen Kleidchen.
Hatte Mutter in den Abenden, wenn ich im Bett verschwunden war, gehäkelt und genäht.
Und ein Märchenbuch lag auch dabei.
Ich war glücklich über die Geschenke.

Was meine Brüder bekamen, interessierte mich nur am Rande.
In einem anderen Jahr bekam ich einen selbstgebastelten Kaufmannsladen von meinem Bruder,
mit vielen kleinen mit Puffreis gefüllten Päckchen.
Es waren im Vergleich zu heute viel weniger Geschenke.
Aber wir waren zufrieden.

Die Eltern schenkten sich nur Kleinigkeiten.
Wir saßen alle gemütlich beisammen und die Süßigkeiten auf den Tellern wurden vertauscht.

Ich tauschte gegen Mandarinen und Lebkuchen, Marzipanschweinchen und Knickebein
fanden sich dann auf den Tellern meiner Brüder wieder.

Das war ein Gekungel mit meinen Brüdern.
Mutter war bestrebt, alle gleich zu halten.
Am Ende waren auf den Tellern dann nur getauschte Sachen.
Und das hat auch Spaß gemacht!

An Weihnachten mußte alles perfekt sein.
Da durfte auch die Torte auf dem Tisch nicht fehlen.
An Weihnachten mußte geschlemmt werden, auch wenn in den Wochen vorher
mit Sicherheit gespart werden mußte, um sich das leisten zu können.
Nicht umsonst nahm Papa jeden Dienst an.

Meine Erinnerungen an Weihnachten sind schön, aber sie sind auch mit Stress verbunden,
den ich mir heute nicht in diesem Maße antue.
Gute Planung und Vorarbeiten ist alles!
Und weniger ist mehr!

Aber es waren andere Zeiten.
Da war Frau nicht mit allen Gerätschaften ausgerüstet
wie Gefriertruhe, Küchenmaschine, Heißluftherd, Kaffeemaschine ... da wurde
der Kaffee noch gebrüht, der Kuchen noch mit Hand gemacht.
Da gab es auch keine Fertigprodukte.

Da wurde der Baum noch einen Tag vor Heiligabend gekauft, um Geld zu sparen.
Wie oft hatten wir kleine Krüppelchen als Baum, wo Zweige zusätzlich
in Stamm gebohrt und verankert wurde, weil das Kerlchen doch sehr dürr geraten war.
Oder an Wand mit Seil festgebunden, weil sonst umgekippt wäre.

Es waren die spätern 50er Jahre ... und wir waren mit selbstgebastelten
mit Liebe gemachten Kleinigkeiten zufrieden.
Und die krüppeligen Weihnachtsbäume waren auch nach Jahren noch
in unseren Gesprächen und Erinnerungen.
Da mußte auch nicht jedes Jahr eine andere Modefarbe am Baum hängen.

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