Letztes Jahr glaubte ich noch von ganzen Herzen an den Weihnachtsmann und
wünschte mir nichts sehnlicher als ihn zu sehen. Aber dieses Jahr war ich
schon sechs!
Irgendwo hatte ich das Gerücht gehört, dass es den Weihnachtsmann nicht gab.
Jetzt wollte ich es wissen! Und wen fragt man in einer solchen Situation?
Natürlich die große Schwester, denn der glaubte man alles, schließlich
konnte sie schon lesen und schreiben, rechnen und Englisch, das war
überhaupt das Beste, diese geheimnisvolle Sprache wollte ich auch endlich
erlernen.
Also fragte ich meine große und acht Jahre ältere Schwester, "Dagmar, gibt
es einen Weihnachtsmann?"
Pause.
Keine Antwort.
Überlegen ihrerseits.
Was sollte man da antworten?
Natürlich gab es den Weihnachtsmann nicht, aber sollte man dieses der
kleinen Schwester sagen und ihr damit den Glauben an den Weihnachtsmann
zerstören? Es war doch ganz niedlich, dass die "Lüdde" da noch dran glaubte
und man sich im stillen und mit seinen Freundinnen darüber lustig machen
konnte, denn schließlich war man selber ja schon fast erwachsen und glaubte
nicht mehr an diesen Kinderkram. Auf der anderen Seite hatte die Kleine sie
erst gestern wieder genervt. Kleine Schwestern können nämlich mitunter auch
eine Plage sein.
"Gibt es einen Weihnachtsmann?" fragte ich noch einmal ungeduldig nach.
"Nein!"
"Nein?"
"Nein! Und nur Zwerge glauben an den Weihnachtsmann" kam es sehr bestimmt
von ihr.
Da hatte ich meine Antwort, aber mit dieser hatte ich nicht gerechnet und
die wollte ich auch nicht, denn natürlich hatte ich erwartet, dass sie mir
versichern würde, dass es den Weihnachtsmann gäbe. Und jetzt sagte sie
einfach, "Nein! Es gibt keinen Weihnachtsmann!"
So etwas Gemeines.
Schnell lief ich zu meiner Mama in die Küche. "Mami, Dagmar sagt, den
Weihnachtsmann gibt es nicht. Ist das wahr?"
Schweigen.
Ohje, jetzt war meine Mutter in der Zwickmühle.
Was sollte man da
erzieherisch richtig antworten? Sollte man den niedlichen Kinderglauben
zerstören und die Wahrheit sagen? Oder sollte man flunkern und die "Lüdde"
noch ein bisschen vom Weihnachtsmann träumen lassen. Also erstmal mit der
Großen schimpfen und sich dabei eine vernünftige Antwort überlegen.
"Dagmar, wie kannst du so etwas sagen? Natürlich gibt es einen
Weihnachtsmann! Du hast ihm ja auch deinen Wunschzettel geschickt. Man
muss nur an ihn glauben."
"Phhh" kam es verächtlich von meiner großen Schwester.
Da war dieser Satz "Wie kannst Du so etwas sagen?" ... dieser Satz brachte mir
die Gewissheit. Denn dieser Satz wurde immer gesagt, wenn man in ein
Fettnäpfchen getreten war und wie man da rein tritt, dass wusste ich zur
Genüge. Für mich stand nun fest, den Weihnachtsmann gab es nicht. Außerdem
waren die Pausen in den Antworten von meiner Mutter verdächtig lang.
"Den Weihnachtsmann gibt es nicht!" gab ich jetzt bestimmt von mir, denn
dieses hatte meine große Schwester zu mir gesagt und meine Mama hatte ihr
nicht energisch genug widersprochen. "Einen Weihnachtsmann gibt es nicht!"
trumpfte ich auf und kam mir dabei sehr groß und erwachsen vor. Meine Mutter
wusste nichts darauf zu erwidern und so erfuhr ich, dass es den
Weihnachtsmann nicht gab, sondern nur ein Kinderglaube war.
Heute bin ich "groß" - vielleicht sogar erwachsen - und weiß, dass es den
Weihnachtsmann und seine vielen Weihnachtsengel gibt!
Denn sie begegnen uns täglich. Sie tragen zwar keinen roten Mantel oder
Flügel, aber sie lächeln einen im größten Weihnachtstrubel zu. Sie haben
trotz des weihnachtlichen Stresses noch Zeit für einen Weihnachtsgruß, für
das Plätzchen backen und um die Wohnung zu dekorieren. Sie machen am
Weihnachtsmorgen ein himmlisches Frühstück oder kaufen einen viel zu großen,
aber wunderschönen Tannenbaum.
Und außerdem schreiben Weihnachtsmänner und Weihnachtsengel sehr gerne
Weihnachtsgeschichten oder sie heißen Engelbert und lassen sich jedes Jahr
etwas Neues für den Adventskalender von Seelenfarben einfallen. |