Meine Schwester Hannelore, etwa 13 Jahre und ich, 8 Jahre alt,
waren sehr oft in den Ferien bei unserer Oma auf dem Lande,
so auch gemeinsam mit den Eltern zu Weihnachten.

Unsere Oma und Onkel Paul, ihr zweiter Mann, hatten eine Unterkunft in einer "Kaserne",
man nannte es so, weil es ein lang gezogenes Gebäude war, fast wie ärmliche Reihenhäuser,
natürlich viel kleiner und schmaler, in denen alle für einen Gutsbesitzer
tätigen Frauen mit ihren Familien wohnen durften.

Im Erdgeschoss gab es eine kleine Küche und eine Stube,
dann eine sehr steile Treppe hoch zu 2 Schlafzimmern.

Toiletten und normale Waschgelegenheiten wie heutzutage
gab es in den frühen 50iger Jahren dort nicht,
Onkel Paul baute uns ein "Plumpsklo" im gegenüber liegenden kleinen Gärtchen,
das war natürlich nur tagsüber benutzbar.
Für die Nacht gab es dann das übliche "Töpfchen".

Zur Familie gehörte natürlich auch ein Hund, ich hatte ihn Prinz genannt,
der ließ es geduldig geschehen, dass ich ihn in meinem Puppenwagen durch's Dorf karrte.

Eine Katze, schon allein wegen der Mäuse unabdingbar, gab es auch.
Wie sie hieß, weiß ich nicht mehr, vielleicht hieß sie einfach nur "Mieze".

Mieze war meistens unterwegs, klar auf dem Lande gibt es viele, viele Mäuse
und so war Mieze nur selten zu sehen.

Und nun zu den Feiertagen: Früher waren die Winter ja noch erheblich kälter als heute
und so hatte sich die Katze wohl ein wenig aufwärmen wollen und ein Eckchen am Kachelofen gesucht.
Ob wir sie dort nicht bemerkten oder vergaßen sie wieder raus zu lassen,
das weiß ich heute nicht mehr, jedenfalls war sie eingesperrt.

Am Nachmittag des Heiligen Abends wurde von den "Großen" der Baum geschmückt,
darunter die Geschenke gelegt und wir Kinder waren bis zur Bescherung in die Küche verbannt worden.

Dann - endlich!!! - läutete das Glöckchen und wir stürmten voller Erwartung in die "gute Stube".

Aber
oh Schreck
unsere Mieze hatte ihr Häufchen, das sie notgedrungen los werden musste,
in die "gute Stube" gemacht!

Es stank fürchterlich und für ein Weilchen war es mit der Weihnachtsstimmung vorbei!

Was tun?

Mal kurz lüften hätte nicht geholfen,
länger, dafür war es zu kalt!

Also wurden dort etwas hastig die Geschenke ausgepackt,
danach verzogen wir uns in die winzige Küche.
Für 6 Personen war sie eigentlich zu eng, aber immer noch besser, als in der guten Stube zu bleiben.

Meine Gedanken und gewiss auch die meiner Schwester
kreisten nun ständig um die süßen Kringel, die am Tannenbaum hingen.
Ob man die noch essen konnte???
Die Erwachsenen aßen sie nicht, aber wir Schleckermäulchen probierten
sie später dann doch und fanden sie köstlich, es gab ja kaum Süßes ...

Omas wunderbares Weihnachtsessen fand am 1. + 2. Weihnachtsfeiertag
dann aber notgedrungen in der kleinen Küche, statt wie sonst immer
an allen Feiertagen in der guten Stube neben dem Tannenbaum.

Das Kätzchen wurde natürlich nicht ausgeschimpft,
zum einen ist Weihnachten ja das Fest der Liebe
und zum zweiten war es ja unsere Schuld,
denn wir hatten ihr nicht ermöglicht, nach draußen zu gelangen.

Hier ein Bild meiner Großeltern:



Meine kleine Oma Ida mit Onkel Paul vor ihrer "Kaserne",
ein klein bisschen sieht man neben Oma von außen das Fenster der "guten Stube".


weiter