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18. Dezember 2013



Lillie schreibt:

Es war sein erstes Weihnachtsfest in diesem fremden Land.

Er war aus dem heißen Indien in das kalte waldige Land gekommen,
hatte Arbeit gefunden und auch eine nette Familie, die sich um ihn kümmerte.

Sie hatten ihn sogar zum Heiligabend eingeladen und der Kirchgang durch den winter-dunklen Ort,
das Weihnachtszimmer, das Singen und Vorlesen der Weihnachtgeschichte,
das Flötenkonzert der Kinder, der Baum mit dem glitzernden Lametta, Kugeln und Kerzenlicht,
der Gabentisch hatten sein Herz mit Staunen erfüllt.

Auch für ihn gab es liebevoll verpackte Geschenke, und vor allem einen Weihnachtsteller!
Voll mit Äpfeln, Apfelsinen, Datteln, Feigen, Nüssen, Mandelkernen, Schokolade, Plätzchen,
Lebkuchen, Marzipan, Zimtsternen, Früchtebrot, Vanillekipferln.
"Das ist Dein Weihnachtsteller", hatte die Mutter gesagt.

So viele Köstlichkeiten, und jeder hatte so einen Teller!

Unauffällig sah er sich um.

Er hatte Hunger, es war schon spät nach dem Kirchgang,
dem Singen, der Weihnachtsgeschichte, dem Flötenkonzert.

Ja, einige nahmen sich von ihrem Teller und aßen beim Auspacken der Geschenke.
Also nahm er sich auch von seinem.
Die Datteln und der Lebkuchen mit den Gewürzen schmeckten nach zuhause.

Er packte ein Buch aus und freute sich über warme Handschuhe.
Er probierte einige Plätzchen, sie schmeckten köstlich.

Er schaute zu den anderen.
Ob es kein Abendessen gab?

Die Kinder packten immer noch Geschenke aus und zeigten sie ihm.
Er aß einen Apfel und dann eine Orange.
Die Erwachsenen schauten gegenseitig ihre Bücher an.
Jetzt stillten Vanillekipferl seinen Hunger.
Anscheinend war das das Abendessen – es gab eben für jeden einen Weihnachtsteller!

Er packte einen Kalender aus und warme Socken, dann aß er eine Tafel Schokolade.
Mandeln, Nüsse und Feigen folgten.
Nach dem Marzipan konnte er kaum noch, aber als er an die lange Nacht dachte,
aß er schnell noch einige Stücke Früchtebrot.
Erschöpft setzte er sich in einen Sessel.

Da kam die Großmutter herein und rief: Kommt, kommt, das Abendessen ist fertig!

Er wurde bleich.
Es gab Würstchen mit Kartoffelsalat.

Bei Tisch saß er ganz still und aß kaum etwas.
Er schämte sich, dass ihm so schlecht war.
Die anderen schauten besorgt.
So kannten sie ihn gar nicht!
War ihm zu kalt?
Hatte er Heimweh?
Er war doch nicht krank?

"Ich hab gedacht, der Weihnachtsteller ist das Abendessen!"

So von Herzen hatten sie lange nicht gelacht.
Ach, Du Armer!
Das hätten wir Dir doch erklären sollen!

Gleich am Abend füllte die Mutter seinen Teller wieder nach,
und auch in den nächsten Wochen passten alle auf, dass sein Teller nie leer wurde.

Beim nächsten Weihnachtsfest wusste er, was ein "Weihnachtsteller" war.

--

Das war das achzehnte Adventskalenderblatt mit den Schneemann-Gedanken, Bettinas Tür,
Christkind und Weihnachtsmann (ohne Cola, mit Milch und Schnaps), Elfis essbaren Sternen,
der Himmelsbackstube und der Geschichte mit dem Weihnachtsteller.
 



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