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Vor langer Zeit, es ist wirklich schon sehr lange her,
da war der Winter so richtig eisig, aber ohne Schnee.
Der alte Großvater Hase hatte den Bau unter dem Haselstrauch verlassen,
um etwas frische Luft zu schnappen, was er jetzt bitter bereute, denn er fror
entsetzlich.
Gerade wollte er zu seiner Familie unter die Erde zurückkehren,
da trat ein Rudel Rehe mit Kitzen zwischen den Bäumen hervor.
"Nun, schönen guten Abend, Familie Reh", mümmelte Großvater Hase, "wie geht es
ihnen und ihren Kleinen?"
"Ach", seufzten die Rehe, "das Gras ist so hart gefroren, dass man es kaum essen
kann!"
Da erschien Fräulein Eichhörnchen auf einem dünnen Zweig des Strauches und
piepste mit zittrigem Stimmchen:
"Du meine Güte, wie soll ich denn jetzt an meine Nüsse kommen?"
"In der Tat, es ist ein scheußliches Wetter", brummte Herr Hase "so eine Kälte
hab ich mein Lebtag nicht erlebt."
"Jammert nicht", schuhuhte es über ihren Köpfen.
Herr Hase machte vor Schreck einen riesigen Satz, denn normalerweise laufen
Hasen vor Eulen davon.
Allerdings wirkte die Eule überhaupt nicht hungrig. Sie schien auf etwas zu
lauschen.
"Heute ist eine besondere Nacht" schuhuhte sie, "ich spüre es!"
Ein Wildschwein mit seiner Familie kam hinter dem Baum der Eule hervor und
grunzte:
"Ich spüre es auch! Es ist besonders kalt!"
"Nein, das meine ich nicht", heulte die Eule "heute Nacht ist es heller als
sonst!"
Herr Hase zuckte die Achseln und wollte sich verabschieden, weil er das Gefühl
hatte,
dass ihm sonst die Pfoten festfrieren würden, da raschelte es in dem welken Laub
unter dem Baum und ein Igel erschien.
Ein Igel!
Noch bevor die Umstehenden sich von ihrer Verwunderung erholt hatten,
tauchte auch noch eine Schar Haselmäuse auf.
Was mochte die geweckt haben?
"Es liegt etwas in der Luft!" schnüffelte der Igel.
"Was ist das nur? Das muss ich unbedingt rausfinden. Riecht ihr es auch?"
"Nun", räusperte sich Herr Hase, "das ist in der Tat eine erstaunliche Sache!"
"Ich sagte doch, heute ist eine besondere Nacht" schuhuhte die Eule.
"Vielleicht sollten wir jemanden fragen."
Sie erhob sich von ihrem Ast und flog hinüber zu einer Schafherde,
die in einiger Entfernung auf dem Feld stand.
"Was ist denn los", riefen ihr die Schafe entgegen,
"unsere Hirten sind plötzlich auf und davon gelaufen und haben uns allein
gelassen."
"Wohin sind sie denn gelaufen?" fragte die Eule erstaunt.
"Keine Ahnung" blökten die Schafe, "den Hügel hinunter."
Die Eule kehrte zu ihrem Baum zurück.
"Die Hirten haben ihre Schafe allein gelassen", berichtete sie den anderen
Tieren.
Jetzt fingen auch Herr Hase und das Wildschwein an, sich zu wundern.
"Vielleicht sollten wir auch den Hügel hinunterlaufen", piepsten die Mäuse ganz
aufgeregt.
"Los kommt schon!" Und sofort wuselten sie los.
"Moment!" rief ihnen Herr Hase hinterher, den die Aufregung der Mäuse angesteckt
hatte.
"Ich muss noch schnell meine Familie holen!"
Er flitzte in den Bau hinein und kam gleich darauf mit einer Schar plappernder
großer und kleiner Hasen zurück.
Und alle gemeinsam machten sich auf den Weg den Hügel hinunter.
Auf halbem Weg begegnete ihnen eine Schar Singvögel, Amseln, Rotkehlchen,
Finken und Spatzen, die zwitscherten vor Aufregung und Begeisterung wild
durcheinander!
"Was ist denn mit euch los?" fragte Frau Eule.
"Was macht ihr um diese Zeit hier draußen?
He, Fräulein Rotkehlchen, ich dachte, ihr fliegt nicht nachts!"
"Ach", zwitscherte Fräulein Rotkehlchen, "heute ist es ja so hell.
Die wunderbare Musik hat mich und die anderen geweckt, und wir mussten unbedingt
sehen, wo sie herkommt.
Ist sie nicht wunderschön? Da muß man doch einfach mitsingen!"
Und sie wollte weiterfliegen.
"Moment!" rief Großvater Hase ihr hinterher.
"Woher kommen denn nun die Musik und das Licht?"
"Unten am Fuß des Hügels steht ein Stall",
rief ihnen Fräulein Rotkehlchen im Fortfliegen noch zu.
"Also los, auf zum Stall!" riefen die Rehe und fingen an zu rennen,
die Mäuse, die Hasen und das Eichhörnchen rannten hinterher,
und die Wildschweine machten den Schluss.
Die Eule flog über ihren Köpfen und hielt Ausschau.
"Da unten ist es", schuhuhte sie schließlich, und wenige Minuten später kamen
die Tiere am Stall an.
Die Mäuse waren als erste drin, weil sie einfach unter der Tür durchschlüpfen
konnten.
Die anderen warteten, bis die Wildschweine die Tür geöffnet hatten.
Und dann standen sie da und staunten.
Mitten im Stall stand eine Krippe voll Stroh, daneben saßen eine junge Frau und
ein Mann
und rundherum standen einige Hirten, ein Ochs und ein Esel.
Und in der Krippe lag ein kleines Kind.
Es war noch ganz klein, aber es sah sie alle der Reihe nach mit freundlichen
Augen an und lächelte.
Und der ganze Raum war voller Musik und Wärme und Licht.
"Ja", sagte Großvater Hase leise, "heute ist wirklich eine ganz besondere
Nacht!"
"Allerdings", strahlten die Mäuse, und sie fingen auf dem freien Platz vor der
Stalltür an zu tanzen und zu singen.
Das Eichhörnchen schloß sich ihnen an, dann die Kitze und Hasenkinder und die
kleinen Wildschweine,
bis schließlich die Eule leise rief: "Pssst, still, ihr alle, seid leise. Seht,
es ist eingeschlafen."
Die Hirten waren schon dabei, sich zu verabschieden,
und da gingen die Tiere auch nach Hause, singend und tanzend und voller Freude.
Und alle waren sich einig, daß dies die Besonderste aller besonderen Nächte war,
und sie erzählten noch ihren Ur-enkeln und Ur-ur-enkeln und Ur-ur-ur-enkeln
davon.
Von der schönsten Nacht aller Zeiten.
~**~
Das war das siebzehnte Türchen mit "schenk, sag,
nimm, gib Dir ...", dem Strohstern,
dem Rundflug, dem blauen Elch, den Knopf- und Perlentannen, den vergessenen
Infos zur Mitbackaktion
und Birgits Geschichte für große und kleine Kinder.
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