Natürlich fällt es dem kleinen Hirn nicht unbedingt auf,
wenn ausgerechnet am Heilig Abend bei der Bescherung der Opa fehlt.
Viel zu sehr ist es beschäftigt mit dem Schreck, wenn es an der Tür klopft ...

Sie öffnet sich, und herein stapft ein Wesen, bekleidet mit schwerem Schuhwerk,
einem überdimensional weiten, roten Mantel, frostrotem Gesicht, aus dem zwei flinke Augen schauen,
falls sie nicht ganz von der Zipfelmütze und einem weißen Rauschebart verdeckt werden.

Als wäre das nicht schon genug der Ungeheuerlichkeit, schleppt der Typ
auch noch einen Jutesack hinter sich her, der sich verdächtig beult ...

Es riecht nach Kartoffelerde und Mäusepipi.

Meine fernsten Erinnerungen halten immerhin fest,
dass ich im Anblick des Klopfers an der Stelle stehen blieb,
an der ich mich soeben befand, und diese auch nicht wagte zu verlassen.

Er knüpfte nach einem brummigen "Guten Abend!" umständlich die Kordel am Sack auf,
und begann mit einer Art Befragung.
Dabei legte er ein beunruhigendes Weidenrutengebinde demonstrativ auf den Tisch
und beugte sich zu mir herab. Eine der saudummen Fragen lautete:
"Warst du übers Jahr auch schön artig?"

Kopfnicken ...

"Hast du deine Schwester auch nicht geärgert?"

Kräftiges Kopfnicken, was ein "Ja" bedeuten konnte, sowie ein verdecktes Nein mit einschloss.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich der neuen Puppe meiner Schwester
die Augen heraus operierte und sie durch zwei Rosinen ersetzte ...

"Isst du deinen Teller immer auf und nimmst den Lebertran zum Nachtisch?"

Was der alles wusste ...

Er griff zum Reisig und entlockte mir das Zugeständnis,
ab heute liebend gern den fetten Lebertran zu essen.

Langsam aber sicher wurde er mir unsympathisch.
Er erwähnte noch den verschwundenen Maggiwürfel,
den ich in der Besenkammer heimlich lutschte, dabei das Silberpapier vergass,
und die im Haus lebende alte Tante, der ich wohl die Zunge heraus gestreckt haben musste.
Konnte mich jedenfalls nicht sofort erinnern.

Als er alles aus dem Sack hervor gekramt hatte, und auch die harmlose Befragung
meiner kleineren Schwester zu seiner Zufriedenheit ausfiel, murmelte er etwas von weiterziehen,
und noch mehr Kinder da draussen ...

Er warf die Haustür ins Schloss, der Hund kam wieder unter der Eckbank zum Vorschein,
alles fing an zu singen und ich, ich war nur noch mit dem Auswickeln
von Holzklötzen, Bastelsteinen und Kreidestücken beschäftigt.

Dabei fiel mein Blick auch auf die neue Puppe, die meine Schwester ans Herz drückte ... sie hatte so schöne Augen.

Noch jedenfalls ...

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