Männerweihnacht

Eine Geschichte von Seelenfärblerin Birgit L.
Die Geschichte ist in der ich-Form einer jungen Frau geschrieben,
Die von dieser Frau gesprochenen Sätze haben
diese Farbe, die vom Nachbar diese.


[ was bisher geschah: ]

Eine junge Frau hat gerade ihrer Mutter gesagt, dass sie an Weihnachten nicht vorbei kommt.
Dann klingelt es an der Tür und der neue Nachbar fragt, ob sie einen Büchsenöffner hat.
Sie bringt ihn vorbei und bald sitzen sie zusammen über einem Album mit alten Fotos von Weihnachten.
Einem offenbar sehr ungewöhnlichen Weihnachten mit ungewöhnlichem Baum mit Kronkorken.


„Und was ist das da?“
„Unser Weihnachtsbaum.“

„Ein ... --- Im Ernst? Da hängen ja Kronkorken dran!“

„Allerdings. Mein Vater hat das ganze Jahr dafür gesammelt.
Und damit der Baum auch möglichst bunt wurde,
hat er sich durch sämtliche Biersorten getrunken, die er auftreiben konnte.“

War sein Vater etwa Alkoholiker? --- Blödsinn!
Wenn an diesem Baum sämtliche Kronkorken eines ganzen Jahres hängen,
kann der Mann pro Woche nicht mehr als zwei Flaschen Bier getrunken haben!

„Aber warum ausgerechnet Kronkorken?“
„Warum nicht? Papa hat sie sogar poliert, damit sie so richtig glänzen.“

„Was hielt Ihre Mutter davon?“
„Sie ... hatte keine Meinung dazu.“

Seine Augen sind schon wieder feucht.
Kann ich nicht ein Mal das Richtige sagen?

„Sie hat diese Bäume nie gesehen.
Das war ein reines Männerweihnachten, genau wie die fünfzehn davor.
Papa hat getan, was er konnte, um einem heranwachsenden Jungen ein Fest zu bieten.

Er konnte weder kochen noch backen, trotzdem gab es selbstgemachte Kekse.
Sie waren immer steinhart, und wir mussten sie in Milch einweichen,
damit wir sie überhaupt essen konnten.
Aber geschmeckt haben sie super.

Unsere Weihnachtfeste waren ... anders.
Aber deshalb waren sie nicht weniger schön.
Sie waren bunt ... und lecker ... und lustig …“

Und dieses Jahr? Was ist mit diesem Jahr?

„Na gut, das war letztes Jahr.
Jetzt haben wir schon wieder Weihnachten, und sicher wollen sie sich
jetzt endlich auch um ihre eigenen Vorbereitungen kümmern, also … danke für den Öffner, und ...“

„Ehrlich gesagt, nein.“
„ --- .... ??“

„Ich ..., ich meine ...“
Nein, ich sag ihm besser nicht, dass ich Weihnachten gar nicht feiere!

„Ich meine, ich hab nichts mehr zu tun. Ganz im Gegensatz zu ihnen.
Sie werden noch einiges auspacken müssen, bevor sie hier einen Baum aufstellen können!“

Himmel, so viel Schmerz in diesen Augen.

„Ich würde alle drei Feiertage brauchen, um genug Platz zu schaffen.
Nein, ich denke, Weihnachten fällt dieses Jahr für mich aus.“

Und nächstes und übernächstes und ... das meint er doch damit, oder nicht?

„Das muss es nicht. --- Also ..., ich kann zwar nicht mit Kronkorken dienen,
aber wenn es ihnen nichts ausmacht, dass meine Mutter versuchen wird, uns zu verkuppeln ...“.

Gute Güte, was rede ich da bloß?
Na, schon zu spät!

„... dann würde meine Familie sich freuen, wenn sie mit uns feiern würden.“

War dieses Glucksen etwa ein Lachen?

„Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen, als mit ihnen verkuppelt zu werden.
Aber mal im Ernst: Wir kennen uns gerade mal seit einer Stunde.
Sind sie sicher, dass sie einen Fremden zu ihrem Familienfest einladen wollen?“

„Es ist Weihnachten.“

„Ja … . Das ist es.“

[ Ende ]

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