Home

13. September 2021




Entlang der Wiese, die zum Bach etwas abfiel,
vorbei an den Tannen am Hang, der sich neugierig ins Feld drückte,
das nach Westen offen lag, auf dem im Sommer der Roggen wogte oder Kartoffeln blühten,
lief ich zum Teich, der sich selbst speiste, seine Quelle geheim hielt,
und niemals ganz versiegte. Aus ihm entstieg stets eine gewisse Kühle.

Eine Kühle, die einer feinen Dame nicht unähnlich war, wenn sie sich bemühte,
den feinen Unterschied zwischen sich und ihrer Umgebung zu unterstreichen.

Mit meinen kurzen Beinen schritt ich ihn einmal ab,
und kam auf das Ergebnis von fünfundzwanzig Metern mal zehn in der Breite.
Tatsächlich wird er die Hälfte gehabt haben.
Beschützt von einer Trauerweide, die ihren unermesslichen Durst an ihm stillte,
spendete sie ihm Schatten mit ihrer mächtigen Krone und starken Ausläufern.
Längs ihrer Strähnen, die ins Wasser reichten,
erschienen im Frühjahr erste Kätzchen.
Weich und weiß.

Ihr Stamm war gezeichnet vom Wetter, das sich an ihm rieb.
Es formte eine Borke, deren tiefe Einschnitte Verletzungen glich,
durch die der prasselnde Regen ablief.
Sie war mein Kletterbaum, an dem es rasch hoch ging,
und dann doch etwas vorsichtiger weiter.

Durch die Krone konnte ich den Wind pfeifen hören wie bei einem Schiff,
bei dem er durch die Takelage fährt.
Der Teich dagegen blieb ruhig und erduldete alles, was man mit ihm anstellte.
Meine kleine Papierbootregatta, die ich durch Peitschenhiebe auf seiner Oberfläche antrieb,
damit mir die Kunstwerke nicht vorm Ziel schon sanken, indem sie sich voll sogen.

Am schönsten erlebte ich jene unbeschwerten Tage,
an denen aus den Weidenkätzchen gelb flauschige Blüten wurden,
in denen tausende Hummeln, Bienen und anderes Gefleuch ruhelos nach etwas suchte.

Aus der letzten erkletterten Astgabel heraus sah ich durchs Tal
die meist waschblauen Berge des Weserberglandes, und stellte mir vor genau dort zu sein.
Auf noch höheren Aussichtsplattformen.

Als der Blitz eines Tages die Weide spaltete, und ein Großteil von ihr im Teich landete,
beriet man über ihre Zukunft.
Sie wurde schließlich über dem Boden abgesägt, und man sagt,
dass ich darüber ein paar Tränchen vergoss.

Es dauerte aber nicht allzu lange, bis aus ihr wieder grünes Leben trieb,
welches sich rasch entwickelte, jedoch nicht so schnell,
wie ich selbst wuchs, um es noch einmal zu wagen in ihre Zweige zu steigen.

[ Burkhard Jysch ]
 



zurück zur Kalenderblatt-Hauptseite

Kalenderblatt-Archiv