Heilig Abend alleine (2) ...

... Gise erzählt:

[...] Danach ergab es sich für mehrere Jahre,
dass mein Exmann Weihnachten ohne unsere Kinder verbringen wollte.

Doch einmal sollte ich an Heiligabend wieder allein sein.

Als es draußen dunkel wurde, packte ich meine Kamera und das Stativ
in mein Auto und fuhr in die Einkaufsstraße.
Schon die Jahre davor gefielen mir dort der große Christbaum
vor dem Rathaus und die Beleuchtung, die sich über die gesamte Hauptstraße spannte.

Doch leider wimmelte es in dieser Straße ständig nur so
von fahrenden und parkenden Autos und eilig dahin hetzenden Menschen.

Doch an Heiligabend war es in der Straße ganz still.
Kein Auto fuhr und kein Mensch war zu sehen.
Für mich eine ungewohnte, fast gespenstische Szene!

Ich stellte mein Stativ mit der Kamera mitten auf die Straße und schoss einige Bilder,
immer mit der Furcht im Nacken, ein Auto könnte sich von hinten nähern und mich überfahren!

Ganz menschenleer war die Straße nun auch wieder nicht.
Ein elegant gekleidetes Paar, sie mit einem großen Geschenk in den Händen,
eilte über die Straße und verschwand in einer Seitengasse.

Eine Weile später gingen immer mehr Menschen in Richtung Rathaus.
Einige Männer trugen schwarze Anzüge und auf ihren Köpfen Zylinder.
Sie hatten Posaunen, Trompeten und andere Blechblasinstrumente dabei.
Nach einer Weile ertönte vom Rathaus her Weihnachtsmusik, gespielt vom Posaunenchor.

Es lag zwar kein Schnee, aber es war bitterkalt.
Ich hatte genug Bilder im Kasten und so fuhr ich glücklich seufzend wieder heim.

Dieser besondere Heiligabendspaziergang durch die ansonsten stark belebte,
aber diesmal wie ausgestorben wirkende Einkaufsstraße hatte eine eigenartige Wirkung auf mich.
Ich fühlte, wie sich von Minute zu Minute in mir ein innerer Frieden
und große Zufriedenheit immer mehr ausbreitete.
Dieses Glücksgefühl hat sich noch tagelang gehalten.

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