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17. Februar 2022



Die Blumenhändlerin

Als ich in den Laden kam, so kurz vor Ladenschluss,
hatten die Blumen, Pflanzen und Gewächse schon etwas Tagesmüdigkeit in sich.
Lilien leuchteten nicht mehr wie am Morgen,
Rosen schlossen sich zu einem Traumbund,
etwas in einem atemberaubenden Gelb gab nur einen Teil seiner Schönheit preis,
indem es sich von der Eingangstür abwandte.

Zwischen alldem eine gebeugte Gestalt, in der ich die Chefin vermutete,
in ihrer geblümten Schürze.
Sie war beim Kassensturz und hatte wohl vergessen die Tür zu verriegeln.
Sie blickte kurz auf, nachdem sich die alte Eingangsglocke wieder beruhigt hatte.

"Sie wünschen?"

In ihrer Stimme schimmerte etwas nettes, verbindliches neben ein wenig Neugierde,
wer sich da noch so spät entschlossen hatte doch noch etwas zu kaufen.

Ich erwartete zwar eine Frage, nicht aber von ihr.
Ich hatte mich schlicht in der Eingangstür geirrt.
Die neben der des Telefonladens gleich nebenan, der das eigentliche Ziel war.
 
Anstatt aber zu sagen: ich habe mich geirrt, bin hier falsch,
dem eine kleine Entschuldigung folgen konnte, hörte ich mich sagen:

"Haben sie etwas Frisches, das nicht schläft?"

"Sie meinen, das sich nicht schließt über Nacht?"

"Ja, so in etwa."

Sie schlurfte zu einem der am Boden stehenden schmucken Eimer,
in dem sich eine muntere Gesellschaft ein ausgiebiges Fußbad gönnte.
Ich kannte weder Namen der Sonderlinge noch sah ich sie jemals vorher.
Geschickt nahm sie sich den Eimer und stellte ihn auf den Verkaufstisch,
entnahm drei der Blütenzweige und hielt sie im Arm als wäre es ihr Brautstrauß.

"Was halten sie davon?"

In mir kämpfte die Abteilung "Chipkarte für das Telefon besorgen"
gegen das wundervolle Bild, das sie abgab in ihrer Schürze,
dem lachfaltigen Gesicht und den leuchtend blauen Augen,
in die eine Strähne ihres grauen Haares hing.

"Ich nehme 5 davon, und wickeln sie sie mir bitte nicht als Geschenk ein.
Sie sprechen für sich."

Nachdem sie mir den Strauß liebevoll zusammen gestellt hatte und mit einer Folie versehen,
überreichte sie mir die Blumen.
Ich wollte zahlen und hörte, wie sie zu mir sagte:

"Das macht 4 Euro, und der Telefonladen ist gleich nebenan."

Sie hatte mein Handy gesehen, das ich die ganze Zeit in der Hand hielt
und das irgendwie etwas von mir wollte.

[ Burkhard Jysch ]



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