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15. März 2022

Chris J. hat mir diesen Text geschickt:

Es gibt auch schönes i.S. Ukraine zu berichten, falls es euch interessiert,
möchte ich euch von unseren Erfahrungen mit Flüchtlingen aus der Ukraine berichten.

Wir haben uns eine Woche lang bemüht die Einliegerwohnung bei meinem Vater
für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.
Am Freitag hat jemand von der Behörde angerufen und vorsichtig nachgefragt,
ob wir ein kleines Kind mit Mutter und Oma aufnehmen könnten.
Sie hätten Verwandte in der nächsten Stadt, 3 Kilometer entfernt,
und dort in der Wohnung würden mittlerweile 6 Erwachsene und 10 Kinder wohnen.
Sie könnten nicht noch mehr Verwandte aufnehmen.

Wir haben die Telefonnummer von Hanna bekommen und uns für Samstag verabredet.
Daher sind wir Freitag, nach Feierabend, von Cuxhaven nach Ostholstein gefahren
und haben die Wohnung geputzt.
Hanna hat sie sich Samstagvormittag angeschaut und hätte am liebsten
noch mehr Menschen in ca. 35 Quadratmeter untergebracht.
Aber dieses haben wir abgelehnt, denn es gibt nur ein Bett (1,40 Meter breit) im Schlafzimmer
und ein Schlafsofa (0,90 Meter breit) im Wohnzimmer.
Die Drei werden wahrscheinlich länger als zwei Wochen bleiben
und müssen sich in den kleinen Räumlichkeiten vertragen.
Dieses hat Hanna dann auch verstanden.

Nachmittags waren wir einkaufen.
Von Äpfeln bis Zahnpasta.
Was kauft man für Menschen die man nicht kennt?
Ich habe mich immer gefragt, was würde ich benötigen und worüber werden sie sich freuen.
Vielleicht habe ich Überflüssiges gekauft, aber ich fand Windeln genauso wichtig
wie Damenhygiene und Tagescreme.
Kartoffeln, Zwiebeln und Gemüse aber auch Tee und Schokolade.

Gegen Mitternacht hat Hanna ihre Cousine (Ende zwanzig) mit dem Kleinen (18 Monate)
und die Oma (Ende fünfzig) zu uns gebracht,
nachdem sie einen Schnelltest und Abendessen gemacht hatte.
Sie konnten es nicht glauben, dass es Menschen gibt, die sie willkommen heißen.

Der Kleine fing leider an zu weinen, also gab es ein kurzes Vorstellen und Zeigen der Wohnung,
sowie ein herzliches "gute Nacht" unsererseits und von Oma Gottessegen.
Gottseidank kann mein Ehemann etwas Schulrussisch, denn die beiden Frauen
sprechen nur ukrainisch und russisch, nicht mal ansatzweise englisch.

Sonntagmorgen haben wir uns den Google-Übersetzter auf unsere Handys geladen
und nach dem Rechten geschaut.
Alle haben gut geschlafen und hatten schon gefrühstückt.
Wir haben sie zum Mittagessen eingeladen, damit man sich etwas besser kennenlernt.

Dann waren wir bei unseren Nachbarn und haben ihnen erzählt,
dass es auf dem Grundstück etwas unruhiger wird, denn mein Vater (87) lebt alleine.
Bei der Gelegenheit habe ich gefragt, ob sie jemanden wüssten,
der einen Hochstuhl, Wickelkommode, Spielzeug oder Kleidung spenden könnte.
Ihr werdet es nicht glauben, aber am Nachmittag haben sie uns eine gespendete Sportkarre,
Hochstuhl, Kinderkleidung und Spielzeug von Freunden und Verwandten gebracht.
Unsere kleine Familie konnte ihr Glück nicht fassen
und der Kleine hat sich riesig über die Stapelwürfel gefreut.
Da hat er endlich wieder gelacht.

Ich dachte mir Pizza wird überall auf der Welt gegessen,
also habe ich zum Mittagessen zwei Bleche gebacken.
Die beiden Frauen haben sich nicht getraut offen zu beten
und haben unter dem Tisch ihre Hände gefaltet.
Dieses wird es nicht wiedergeben, denn wir haben früher
bei Tisch auch gebetet und für die Speisen gedankt.
Wir wollten nicht aufdringlich sein und sie haben Rücksicht auf uns genommen.
So ist es halt, wenn protestantisch und katholisch auf russisch-orthodox trifft.

Am Nachmittag musste ich mit dem Zug nach Cuxhaven fahren,
denn ich habe heute und morgen eine Schulung im Homeoffice.
Mein Schatz bleibt noch ein paar Tage dort um bei den Behördengängen und Einkaufen zu helfen.
Der Mann von Hanna war heute sehr früh auf der Behörde um sie anzumelden,
da seine Schwester und Schwägerin mit ihren Kindern schon letzte Woche ankam,
hat er damit mehr Erfahrung als wir.
Es ist sehr gut, dass er und Hanna nicht so weit weg wohnen,
denn so können sie nicht nur ihren Verwandten,
sondern auch uns, z.B. bei Verständnisschwierigkeiten, helfen.

Nur ein Beispiel, Oma mag nicht heizen, denn das kostet unser Geld.
Sie denkt, sie wäre eine Belastung, dabei ist es uns ein Bedürfnis zu helfen.
Meine Mutter musste vor 70 Jahren aus Ostpreußen fliehen
und in ihrem Gedenken möchten wir helfen.
Bei den Bildern aus der Ukraine kamen uns die Tränen.
Und sie kommen mir jetzt wieder, denn die Dankbarkeit der kleinen Familie rührt mein Herz.
So häufig wie ich in letzten zwei Tagen gesegnet wurde, das reicht für mehrere Leben.



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