Ich hatte der
Seelenfärblerin angeboten, dass sie, wenn sie will, mir Freitags Neuigkeiten zu
Nina schicken kann und ich diese dann übers Wochenende veröffentliche ... wer
nicht weiß, worum es geht, kann
hier alles nachlesen.
Wochenbericht zu Nina:
Was hat uns die Woche mit Nina gebracht bzw. für sie gebracht ?
Wir ( Sohn,Schwiegertochter & ich )waren am vergangenen Sonntag bei Nina.
Angetroffen haben wir da das erste Mal eine Nina ohne nasale Magensonde =
positiv ! Vor allem natürlich für Nina, aber auch für uns sozusagen ein Stück
sichtbar gewordenes „step by step“ geht es (hoffentlich) weiter nach vorne.
Eine Nina , der während unseres Besuches die „Backhandschuhe“ ( Handfixierung )
abgenommen wurden. Schön für Nina, die auch immer wieder auf ihre Hände schaute.
Wir hatten aber auch leider eine Nina, die sich schmerzgeplagt zeigte. Sie
konnte artikulieren, dass sie sehr starke Leibschmerzen hätte, man konnte die
Kontraktionen des Bauches alle paar Minuten deutlich sehen, wurde auch von
schmerzgezeichnetem Gesichtsausdruck von Nina begleitet und einem entsprechenden
Stöhnen. Ich ahnte bereits, dass das schwere Flatulenzen sein könnten, Nina
sprach an, dass sie verdauen müsse. Ihr lest es – sehr schön, dass teilweise
eine zielgerichtete Kommunikation mit Nina schon möglich ist. Wir haben nach
Pflegepersonal geklingelt, das dann aber zugegebenermaßen relativ lange auf sich
warten ließ. Mittlerweile hatte Nina unter Schmerzen abgeführt und als die
Schwester kam, gab es die Bemerkung, dass das ja nicht gerade viel wäre....Ich
habe selber in der Pflege ein paar Jahre gearbeitet und weiß, dass mit jeder
pflegenden Person auch deren Persönlichkeit an ein Bett tritt...Nina musste sich
fast eine Stunde quälen und davon ausgehend, dass man in der Krankheit meist der
Mensch bleibt, der man auch im „normalen“ Leben ist, heißt, wer geringe
Schmerzgrenze hat, der hat sie zumeist auch in der Krankheit, gehe ich davon
aus, dass Nina die uns eigentlich allen zu eigene hohe Schmerzgrenze noch hat.
Man merkte ihr also an, dass sie sehr wohl registrierte, da hatte sie sich unter
Schmerzen gequält bis sie abführen konnte und dann wurde diese Qual durch ein „
das ist aber nicht viel“ beschrieben. Immerhin konnte Nina sich dann körperlich
entspannen....Dann aber kam die Phase, die mir sozusagen an dem Tag bei ihr im
Zimmer alles abverlangte und nach Beendigung des Besuches in einem Tal der
Tränen mündete.
Nina „begreift“ ( wenn ich oftmals etwas in Anführungszeichen setze, so seht es
mir nach, soll nur verdeutlichen , dass Worte manches Mal die Situationen unter
dem Erlebten nicht korrekt beschreiben können), immer mehr, dass irgendetwas
nicht „richtig“ mit ihr und dem Leben ist. Man hatte ihr unter der Woche unter
einer der Therapien scheinbar eine laminierte Folie gegeben auf der dann Dinge
wie „wo wohne ich“ etc. formuliert waren. Nina hat das eine oder andere „ausgefüllt“,wir
konnten zum Beispiel den Namen ihres Wohnortes erkennen, aber eben in einer
ungelenken Schrift, ähnlich einem Kind der 1.Klasse oder sogar noch etwas
davor...Das führte dann bei ihr zu heftigstem Weinen und unter dem Weinen
berichtete sie, dass das alles doof wäre, dass das nicht ordentlich wäre usw.
Wir konnten sie kaum beruhigen! Diese Situationen gab es an dem Tag mehrfach.
Sie wollte etwas erzählen und kam dann irgendwann „nicht weiter“...als es um
Themen aus ihrer Kindheit,frühen Jugend ging, da war es gut, dass ich da
war,denn ich konnte auf Dinge antworten oder ihr gedankliche Brücken
bauen,sodass wir beide in kleine Kommunikationseinheiten gelangten und Nina
dabei sichtbar enttspannte. Mein Sohn meinte, dass er das auch als sehr
belastend empfunden habe, denn die teilweise kaum zu beruhigende Schwester
erleben zu müssen,die immer „nur“ in eine entspannte Phase gelangte, wenn Mama
in dem Fall dazu etwas zu sagen wußte. Er selber stieg dann immer in den Phasen
der „Unterhaltung“ ein , die er auch selber miterlebt hatte.Nina sagte mir
mehrmals: „Ich bin so froh, dass du da bist.“ Und etwas später dann wieder unter
heftigstem Weinen, dass sie so viel erzählen möchte und dass das alles doof wäre
( war scheinbar ihr Lieblingswort an dem Tag smile ), wenn denn keiner da wäre.
Ja,und da hatte ich absolut zu kämpfen! Denn als Mutter will man alles für sein
Kind tun, mir sind aber durch die Entfernung und dadurch, dass man ja nicht eben
aus seinem eigenen Leben aussteigen kann, so sehr die Möglichkeiten genommen.
Das macht mich momentan richtig fertig!Ich bekomme von allen Seiten gesagt, dass
das nicht zu ändern wäre, man halt durch die Zeit gehen müsse usw. Aber die
Vorstellung, dass Nina immer wieder jetzt, da ihr das eine oder andere -egal ob
Gegenwart oder Vergangenheit- „bewusster“ wird, da die meiste Zeit alleine im
Krankenzimmer liegt, es bricht mir wirklich- ohne großen Pathos- das Herz! Wir
haben eine Ist-Situation, dass die Woche 7x 24 Stunden bekanntlich hat, davon
verbringen wir magere zwei Stunden sonntags bei ihr,mein Schwiegersohn 1x die
Woche mit den Kindern , und wenn's da schlecht läuft,weil der Jüngste es nicht
aushält, dann sind es vielleicht 30-45 Minuten, die die „drei Männer“ bei ihr
sind, dann noch 1 x die Woche mein Schwiegersohn alleine 1-2 Stunden. Was ist
das im Vergleich zu den vielen Stunden, die Nina in diesem Zustand alleine ist.
Wir sprechen ja nicht von einer Patientin, die nach dem Pflegepersonal selber
klingeln kann, wenn es ihr nicht gut geht ( z.B. die Situation am Sonntag mit
der Verdauung.....), sie kann sich nicht selber ablenken, in dem sie TV an-oder
auch ausmacht,kann sich mit nichts ablenken, aber hat nun den Zustand erreicht,
den wir DENKEN nennen...Und wenn auch noch vieles „verquer“ läuft, sie ist schon
angekommen in dieser wie auch immer noch ausbaufähigen Phase der Erinnerungen,
teilweise im hier und jetzt usw. Ihre tiefe Traurigkeit,ihre spürbare
Verzweiflung...sie „hängen mir in den Knochen“!
Sonntagabend zuhause angekommen, mein Denken hat rotiert, ich habe eruiert, ob
es in der Nähe der Klinik eine Unterkunft gibt, hatte überlegt, ob ich nicht von
Freitagabend bis Montagvormittag immer zu Nina so hinkommen könnte, aber a) ich
werde im kommenden Monat 65 Jahre alt und habe meine körperlichen
Einschränkungen, b)die Fahrten über die A1 ( eine der unfallträchtigsten
Strecken die wir haben), das alles hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen
gebracht- ich kann der Situation nicht abhelfen, umso schlechter geht es mir.
In der kommenden Woche fliegen meine treuen Begleiter, sprich
Sohn/Schwiegertochter für über drei Wochen in den verdienten Urlaub nach
Namibia.Ich hatte noch nie Probleme mit ihren Auslandsreisen, das Leben muss
auch genossen werde!!.Dieses Jahr aber bedeutet es für mich, dass ich dann
drei,vier Wochen am Sonntag alleine fahren muss und wenngleich ich
locker-flockig nonstop die vier Stunden nach Leipzig zum Enkel fahre, die Fahrt
von 1,5 Stunden zu Nina haben ein ganze anderes „Kaliber“, die fordern mich bis
in die letzte Phase meines Körpers. Ich bin selbst ohne fahren zu müssen
sonntags auf dem Hinweg bis an die Haarspitzen angespannt und auf der Rückfahrt
gibt es entweder eine Erleichterung oder wie am letzten Sonntag noch mehr „zu
verarbeiten“...Ich bin durch und durch eine begeisterte Autofahrerin, aber in
diesen Situationen bin ich gewissemaßen ängstlich, dass ich aufgrund der
Aufregung/Anspannung mal einen Fahrfehler begehen könnte....Ich werde dem auch
nicht Herr, muss aber die kommenden Wochen es irgendwie hinbekommen! Ihr Lieben,
die ihr euch auf all meine Nachrichten einlasst, heute war es etwas jammernd von
meiner Seite! In diesem Zusammenhang unser Dank an alle die uns seit meinem
ersten Bericht so wundervoll begleiten! DANKE!
Und nun bekommt ihr nach der jammernden Petra noch etwas Tolles von der Nina zum
Abschluss berichtet: Eine Schwester kam rein und fragte Nina ob sie Kakao
trinken möchte. Nina bejahte. Sie wurde gefragt ob warm oder kalt, Nina begehrte
kalten Kakao zu trinken.Wenig später kam die Schwester mit einem bis fast unter
dem Rand gefühlten Becher Kakao ( ...und Petra dachte,'das türkisfarbene Shirt
von Nina kannst du dann gleich auch noch mitnehmen' – typisch Mutter smile!),gab
Nina den Becker in die Hand und Nina führte ihn langsam zum Mund und trank
Kakao-ohne zu kleckern, ohne zu zittern oder dergleichen! |