Wochenbericht zu Nina:
Ich beginne diesen Wochenbericht mit persönlichen Worten an Lilo,die in der
vergangenen Woche die erste Seelenfärblerin mit ihrem Eintrag war. Nein, liebe
Lilo , es ist für mich keine Belastung, diese wöchentlichen Berichte zu
schreiben. Ja, es ist auf jeden Fall für mich gut, dass Engelbert mir hier die
Möglichkeit des Mitteilens bietet, denn so kann ich im Moment im Wochenrhythmus
reflektieren was mich belastete,was mich erfreute, was mich zweifeln ließ usw.
So lange meine Wochenberichte bei euch allen da draußen noch Aufmerksamkeit
finden, sie euch nicht ermüden, so lange zehre ich ( wie der Rest der Familie )
von eurer Begleitung durch eine nicht so leichte Zeit!
Wie ich Engelbert schon in einer Mail mitteilte, ich kopiere alle eure Einträge
und speicher sie für die Zeit X. Vielleicht wird Nina irgendwann die
Voraussetzungen mitbringen, dass sie aufnehmen kann,dass ihr sie und uns mit
vielen lieben Worten begleitet habt.Auf jeden Fall werden die Einträge
irgendwann nett gebunden werden, so dass meine Enkel lesen können, dass es „da
draußen“ ihnen unbekannte Menschen gab, die die Zeit begleiteten.
So oder so- jeder Eintrag von euch, jedes liebe Wort, jeder gedankliche Anstoss,
wird gehütet wie ein Schatz!
Gehe deshalb auch auf den Eintrag von dir,liebe Vera, ein. Ja, das wurde uns vor
ca.5 Wochen gesagt,wir sollten Nina Musik und CD Player mitbringen.Ich habe
sofort meinen CD Player mit ins Krankenhaus genommen, Schwiegersohn brachte 5
Freunde CDs mit,in unserer Familie hören auch heute noch die längst erwachsenen
Personen Hörspiele zum Einschlafen. Schwiegersohn hatte also zunächst nach den
benannten 5 Freunde CDs gegriffen.
Als mein Sohn die CD bei unserem Besuch in den mitgebrachten Player legte und
startete, da hat Nina beim Einsetzen des doch relativ langen Intros dieser Serie
Wort für Wort mitgesungen, ohne einen einzigen Aussetzer/Fehler! Da war das
Langzeitgedächtnis also vor Wochen schon in diesem einen Punkt hervorragend bei
der Arbeit, denn zu dem Zeitpunkt war Nina noch „um vieles zurück“ gegenüber
heute.
Zwei Wochen später beim Besuch lief relativ leise das Radio im Player und
irgendwann konnte ich nachvollziehen, dass Nina einen der gespielten Songs mit
ihren Lippenbewegungen haargenau (mit)formulierte. Es war ein englischsprachiger
Titel aus den Charts von vor cirka 2-3 Jahren.
Ich muss zugeben, dass mir als Mutter viele Gedanken zu meinem Kind durch den
Kopf gehen, was man ihr Gutes tun könnte.
Ein Gedanke, den ich bis dato noch nicht umsetzen ließ ( für das technische
wären Schwiegersohn,Sohn oder erwachsener Enkel zuständig ) ist, die Dinge,die
sie besonders gerne mochte, auf USB spielen zu lassen. Dazu würde die Musik der
Gregorians zählen, denn zu deren Konzerte war sie mehrfach mit ihrem Mann, würde
aber auch Verbindung zur verstorbenen Schwester bedeuten und auch die Titelmusik
von Serien, die sie gesehen hat. Ich werde es demnächst mal in Auftrag geben,
denn da Nina nun immer „wacher“ ist, ist es vielleicht sinnvoll, wenn wir es
jetzt einsetzen.
Allerdings muss man auch ehrlicherweise sagen, wir haben keinerlei Zugriff
darauf, wann und wie lange etc. Nina der Player aktiviert wird .Dafür ist einzig
und alleine das Pflegepersonal zuständig, wir haben auch Situationen gehabt, da
lag Nina in einem „stummen“ Zimmer, kein Radio,keine CD, kein TV an. Seit cirka
vier Wochen äußert sie sich ja auch auf entsprechende Anfragen, ob man etwas an-
oder ausstellen soll. Kann also natürlich auch sein, dass sie selber für die
Stille im Raum sorgte.
In diesem Zusammenhang fällt mir noch etwas anderes ein.
Gleich zu Beginn der Verlegung von Nina in die Klinik las ich, dass zur Gruppe
der dort tätigen Therapeuten ein Therapiehund gehört. Das hatte ich meinem
Schwiegersohn damals gesagt und er meinte, er habe angegeben, dass Nina
Allergien habe. Das ist auch vollkommen korrekt, Nina und ich leiden beide Zeit
unseres Lebens extrem unter Allergien.
Nichtsdestotrotz ist Nina in Jugendjahren geritten, hat mit Katzen
zusammengelebt und vor allen Dingen ihre beiden heißgeliebten Dobberman Frauen
gehabt! Im Gespräch mit dem Neuropsychologen habe ich angemerkt, dass das
eventuell ein guter Zugang zu Nina sein könnte, wenn die Hündin bei ihr
eingesetzt werden würde. Hinsichtlich der Alllergie und der Tatsache, dass Nina
sich immer diesbezüglich medikamentös abgedeckt hatte, wollte er das Ärzteteam
nun auf einen eventuellen Einsatz ansprechen. Vielleicht wäre das in ein paar
Wochen also ein gutes „Hilfsmittel“, könnte man Nina und die Hündin
zusammenbringen.
Ich habe auch bereits mit einer uns bekannten Therapeutin gesprochen, die schon
seit 20 Jahren Hippotherapie gibt. Von ihr weiß ich, dass Nina eine aktive
Rumpfkontrolle benötigt und mindestens kurzzeitig auf den Beinen stehen können
müsste,um den Transfer über eine Rampe auf das Therapiepferd zu schaffen.
Das habe ich selber schon mit einer von mir betreuten MS Patientin vor vielen
Jahren erlebt,die nur noch mit Orthesen und nur kurzzeitig am Rollator sich
fortbewegen konnte. Die Wirkung der Pferdebewegungen auf den menschlichen Körper
haben unbestritten sehr gute Auswirkungen und deshalb würde ich mir wünschen,
dass wir Nina das auch irgendwann noch angedeihen lassen können.
Ihr könnt es in diesem Wochenbericht lesen – das Gedankenkarussell arbeitet,
manches Mal ein wenig hyperaktiv ( zugegebenermaßen ), aber dies ist unter den
Umständen wohl auch aus Sicht der Mama alles nachvollziehbar.
Schwiegersohn war am vergangenen Mittwoch bei Nina und konnte es nach einer
halben Stunde nicht mehr aushalten. Was war passiert? Eigentlich etwas absolut
Gutes , denn Nina hat ihn die ganze Zeit für ihren verstorbenen Papa gehalten.
Ich hatte am Donnerstagmittag ein Gespräch mit dem Neuropsychologen, der genauso
erfreut darüber war wie ich auch, denn das bedeutet, dass Ninas Gehirn wieder
ein Segment aus dem Altgedächtnis sich, durch was auch immer in dem Moment
ausgelöst, zurückeroberte. Dass sie dann den Ehemann für den Vater gehalten und
in dem Moment auch so mit ihm kommuniziert hat, das ist für sie gut gewesen.
Noch besser war dann das Ereignis, das der Neuropsychologe unmittelbar mit ihr
vor unserem Telefonat hatte. Er war gerade bei Nina aus dem Gespräch
herausgekommen als er bei mir anrief und erzählte, dass er gesagt habe : „Frau
L. , nun sind ihre beiden Söhne ja mit ihren Eltern im Urlaub.“ Ninas Antwort:
„Nein, nein, nicht mit meinen Eltern , sie sind mit den Schwiegereltern weg.“
Heißt, Ninas Gehirn hat sich dabei also auch eine aktuelle Situation beziehen
können,sodass das die Hoffnung nährt, dass das Kurzzeitgedächtnis eventuell
nicht so große Ausfälle produzieren wird, wie man bis dato anhand des
betroffenenen Areals im Gehirn geglaubt hatte.
So, ihr Lieben- nun werde ich die Zeitspanne meiner Berichte dehnen! Ich werde
euch „nur“ noch im zwei-Wochen-Rhythmus berichten. Es gibt genug
SeelenfärblerInnen, die mit sich selber, Pflege von Angehörigen usw. belastet
sind! Unser Schicksal ist kein Einzelfall und soll nicht zu sehr in den
Vordergrund gedrängt werden!
Wir lesen uns also in 14 Tagen wieder- bleibt mir alle gesund und munter, passt
auf euch auf! |