Nach eineinhalb Tagen durchgehender Fahrt ist heute mal wieder ein aktiver Tag.

Um halb 7 zwitschern die Vogerl und ab 7 Uhr gibt es Frühstück. Mittlerweile hat sich der Stau vor unserer Kabine wenigstens Morgens aufgelöst. Das ist der Fluch, so kurz vor dem Restaurant zu wohnen.

Wir erreichen morgens um halb 8 Uhr die bulgarische Stadt Lom.

Hier ist die Donau wieder Grenzfluss zwischen Rumänien und Bulgarien. Es gibt aber keinen regelmäßigen Fährverkehr ins Nachbarland, auch keine Brücke. Es gibt auch keinen regelmäßigen Schiffsverkehr hier. Nur in den Sommermonaten fahren Tragflächenboote in die nächsten Donauhäfen. Lom ist der Hafen, der der Hauptstadt Sofia am nächsten ist.

Im Ausflugsprogramm wurde die Besichtigung der Felsenfestung angeboten. Es wird festes Schuhwerk und Trittsicherheit gefordert. Genau das richtige für uns Bergfexen. Die Fotos waren jedenfalls sehr spannend, die wir bei der Vorstellung des Ausfluges sahen. Vorteil daran, es meldeten sich nur sehr wenige Teilnehmer.

Und so stiegen wir um 8.30 Uhr mit nur 20 anderen Passagieren nach dem Frühstück in einen großen, klimatisierten Reisebus. Unsere Reiseleitung stellte sich als Studentin für Geografie vor und erzählte, sie würde in München studieren und in ihren Semesterferien hier ihr Taschengeld verdienen. Sie ist gebürtige Bulgarin, aber sie gibt auch oft zu, dass sie sich für ihr Land und seine Bewohner schämt.

Gerade was die Gegend entlang der Donau betrifft ist der Anteil der Roma teilweise über 70%. Erstaunlicherweise sagt sie Zigeuner, und sie lässt kaum ein gutes Haar an ihren Landsleuten. Unser Eindruck bei der Fahrt durchs Land bestätigt das.

"Die Infrastruktur ist denkbar schlecht und die Menschen faul", klärt sie uns auf. "Roma bekommen von der Regierung eine Parzelle und ein einfaches Häuschen, wenn sie eine Familie gründen. Dieses Häuschen wird regelrecht zerpflückt und alles wird verkauft. Der Garten liegt brach oder wird von den Alten in Handarbeit mühselig bearbeitet, während die Jungen von dem Geld nach Deuschland, Österreich, Holland fahren zum arbeiten. Nach 10 Jahren im Ausland dürfen sie sich neu einbürgern, anmelden und bekommen wieder einen neuen Wohnsitz".

Und, man sieht, die Menschen am Straßenrand sind nicht nur arm, sondern sie haben keinen Willen, etwas aus ihrem Leben zu machen.

Nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir die Stadt Belogradschik. Hier merkt man, dass langsam etwas Tourismus aufkommt, die Straßen sind sauberer, die Häuser ein bisschen weniger verfallen. Über eine Serpentinenstraße erreichen wir eine Höhe von etwas über 550 m und sehen schon von Ferne die Felsenfestung, die der Stadt den Namen gab: Weiße Burg.



Über die Vorgeschichte dieser Burg, deren Mauern noch ziemlich gut erhalten sind, gibt es kaum Aufzeichnungen. Es gibt auch kein Burggebäude.



Aber das imposanteste, und der Grund, warum wir diesen Ausflug gemacht haben, sind die bizarren Formen der roten Sandsteine, 10 Kilometer lang, 2 Kilometer breit, deren Namen mit ganz viel Fantasie nachvollziehbar sind. Da gibt es den Kuss, die Zwillinge, König und Königin. Namensgeber ist ein Kletterverein aus Sachsen, der hier seit 2003 einen festen Stammplatz hat. Er betreibt auch das kleine Hotel am Fuß der Burg.

Über Stahlleitern und wacklige Treppen steigen wir zwischen Felsformationen durch. Es ergeben sich bezaubernde Gucklöcher in die Landschaft und auf die Stadt hinunter. Wir haben zwei Stunden Zeit, uns umzusehen, die Landschaft auf uns wirken zu lassen. Das ist so herrlich entspannend, nicht gehetzt zu werden.



Zurück bei unserem Bus, auf dem großen Parkplatz, öffnen langsam die Souvenirstände. Es werden also weitere Besucher erwartet. Unsere Reiseleitung empfiehlt uns, hier nichts zu kaufen, denn die Händler würden zwar Euros annehmen, aber der Kurs entspricht natürlich nicht dem offiziellen. Und was hier angeboten würde, ist sowieso nur Ramsch. Sie warnt uns auch davor, das berühmte Rosenwasser hier zu kaufen, das sei von schlechter Qualität.

Wir schlendern trotzdem durch ein paar Läden, aber was es hier zu kaufen gäbe, ist sowieso nichts, was uns interessiert. Natürlich gibt’s immer wieder Leute, die trotzdem irgendwelchen Tand kaufen müssen.

Es geht mit dem Bus zurück. Unser Schiff ist in der Zwischenzeit ohne uns weitergefahren und wir treffen in Vidin, 50 km flussaufwärts, wieder zusammen.

Die Landschaft ist geprägt von Landwirtschaft, aber auf dem Niveau von vor 50 oder mehr Jahren. Entlang der Autobahn, auf der wir jetzt fahren, gibt es viele Maisfelder, die zum Teil schon abgeerntet sind. Und man merkt, dass hier die Zeit stehen geblieben ist.



Auf einem Feld fährt ein "moderner" Maishäcksler, der bei uns schon vor 20 Jahren durch den TÜV gefallen wäre, man siehts an den schwarzen Rauchschwaden. Und dahinter ein Eselskarren, hinter dem zwei alte Menschen den Mais mit der Hand schneiden. Es ist ein bedrückender Eindruck, den wir von diesem Land bekommen. Und doch bedient der Eindruck alle Klischees, die wir von den Roma haben.

Kurz vor Erreichen unseres Ziels sehen wir auf einmal riesige Gebäude rechts und links der Autobahn. Es sind die Textilfabriken der großen Modelabels wie Boss, Esprit, Tommy Hilfiger usw. Große bunte gestylte Buchstaben zieren Fassaden, die eher nach Abbruch aussehen. Die Parkplätze sind voll, also scheinen wohl viele Menschen dort zu arbeiten. Aber es bleibt ein Geschmäckle, zum Thema deutsche Modehersteller.

Pünktlich zu einem späten Mittagessen sind wir zurück auf dem Schiff, nicht ohne uns von der überaus freundlichen Reiseführerin für die Einblicke ins Leben ihrer Landsleute zu bedanken. Es bleibt ein bisschen ein bedrückendes Gefühl zurück, soviel Armut gesehen zu haben und dann selbst sich diesen Luxus leisten zu können.

Morgen erzähle ich euch dann vom Nachmittag dieses eindrucksvollen Tages.