Was man als Kind erlebt - das prägt einen ein Leben lang..

Mein Vater war sehr dominant und hatte uns 3 Mädels ( meine Mutter, Schwester und mich ) total im Griff. Er war der absolute Boss. Es ist sehr komplex, was in den Jahren alles vorgefallen ist. Jedenfalls habe ich immer eine intakte Familie mit richtiger Mutter und Vaterfigur gesucht und nicht gefunden...

Sozial sind wir durch gewisse Kapriolen meines Vaters dann auch noch in die Sozialhilfe abgerutscht und mein Vater hatte das Geld in der Hand und wir mussten uns mit dem begnügen was er uns zugestand... Ich konnte in der Schule also nicht mithalten was Klamotten und anderes betraf... War ein Außenseiter - klar wer spielt schon mit jemand der nichts zu bieten hat - Kinder können sehr grausam sein... Ich hielt mich immer mehr zurück, traute mich in der Schule nichts - bekam Schläge, Spott und Hänseleien.

Ich konnte doch nichts dafür? Ich hätte auch gerne schönere Kleider und andere Dinge gehabt - aber ich hatte es nun mal nicht.. war ich deshalb weniger wert? Nur weil meine Eltern nicht viel Geld hatten?

Zu der Zeit war mein Vater auch noch Gelegenheitstrinker - das heißt er trank Freitags auf Samstags Whiskey wie andere Wasser.. Er hat noch heute den Spitznamen Whiskey und ist da auch noch stolz drauf... Jedenfalls war bei uns zu Hause nix normal... solange wir nicht störten und parierten war mein Vater zufrieden...

Als ich ungefähr 7 Jahre alt war wurde ich von einem Nachbarn, der alleine lebte mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken in seine Wohnung gelockt. Ich bin sehr vertrauensselig gewesen und so hatte dieser Mistkerl die Chance mich zu missbrauchen. ich musste ihn anfassen, seinen Freund streicheln, nett zu ihm sein. Er selber hat mich aber nie angefasst - soweit ich mich erinnere - er begnügte sich mit Hinsehen und Fotos die er machte und den Streicheleinheiten, die ich seinem Freund angedeihen lassen musste. Sagen durfte ich niemandem was, denn er sagte wenn ich was ausplaudere muss er ins Gefängnis... Und ich ließ mich davon beeinflussen - und obwohl ich merkte das das nicht richtig ist, ging das fast 4 Monate so.

Ich hab mich dann doch verplappert und die nachfolgenden Wochen waren nicht sehr schön. Die Zeit, die ich bei der Kripo zubrachte, wo mich Männer befragten war schlimm... Ich war ziemlich eingeschüchtert - und mein Vater? Der schrie nur rum und wollte den Kerl umbringen - Verständnis und Hilfe hat mir aber keiner gegeben. Ich war am Ende damit alleine... und musste es selber aufarbeiten - was mir aber nie gelungen ist... Und so wurde aus dem kleinen Mädchen ein großes Mädchen... Und dieses ist nun eine Frau.

Mein Mann wurde früh nur rumgestossen. Seine Mutter war 17, als sie ihn bekam. Sein Vater hat seine Mutter ständig geschlagen und er bekam das von früh an mit. Als er 3 Jahre alt war ist sein Vater abgehauen und hat sich nie mehr um seinen Sohn bemüht. Sie hatte ständig wechselnde Beziehungen und war ziemlich hart und genervt im Umgang mit ihrem Jungen. Wäre die Oma nicht gewesen, die sich seiner angenommen hat - er wäre ganz untergegangen... er hat früh gelernt hart zu werden und niemanden an sich ranzulassen außer der Oma.. Suchte Anerkennung und die bekommt man nur als harter Junge...

Früh war er in Rockerkreisen drin... in den Kreisen war er jemand - es wurde sein Lebensinhalt... Träume von der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe, die er als Ideal hatte. nach deren Statuten lebte er... Sie gaben ihm das, was er vermisste.

Gleichzeitig fühlte er sich aber sehr zum Militär hingezogen und er wurde Zeitsoldat.. Das freie Bikerleben und das Bundeswehrleben haben sich aber nicht vertragen und er entschied sich für das Bikerleben. Als ich ihn kennen lernte, muss er schon ziemlich schräge Dinge hinter sich gehabt haben.

Für mich gab er es dann auf - er sagte ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen... Er wollte sich bereits nach 3 Monaten verloben und hat mich ziemlich beansprucht... Nichts durfte ich ohne ihn machen - er hat sich total auf mich fixiert. Ich wurde dann schwanger und wir heirateten... Er sah mich als eine Art Eigentum - hatte starke Angst mich zu verlieren - lebte in seiner Bikerwelt und integrierte mich - obwohl ich nie ein gutes Gefühl hatte... aber ich ging halt mit... Sein Jähzorn und oft blinde Wut von einer Sekunde zur andern nahmen immer mehr zu.

Wehe ich sagte was Falsches und er tickte aus und hatte mich dann am Hals und drückte mich gegen die Wand. In diesen Momenten stand er komplett neben sich - und wenn er mitbekam, was er da getan hat, brach er weinend zusammen und klebte an mir - ich verzieh ihm jedes Mal.

Diese allmächtige Bikertruppe zog ihm dann 1996 seine Kutte aus und nahm ihm so ein ganz großes Stück Identität... ich bekam Prügel und Schlimmeres von den Typen angedroht und mein Mann wurde ganz schön gedemütigt.

Von einem Tag zum andern verkaufte er sein Motorrad und legte sich eine neue Identität zu. Er, der nie bunte Jeans, Sweatshirts usw angezogen hatte geschweige denn Sakkos, der zeitlebens in Lederklamotten oder Bundeswehrklamotten rumlief, war plötzlich überseriös. Dazu gehörte auch das absolute ablehnen von Bier und ähnlichem. Bekam er sowas angeboten, lehnte er ab.. ich machte diesen Sprung mit... er, der mit 24 schon bereits seit 12 Jahren motorisiert war und Biker, wie er immer betonte, war nun seit 12 Jahren Amateurastronom.

Fast 2 Jahre lang hielt er es in dem Leben aus... und er richtete alles danach - inklusive mir. Diese Welt gefiel mir selbst wesentlich besser als diese Rockerwelt. Ich fand endlich Menschen zur Kommunikation. Er hielt das nicht lange durch und wurde immer nervöser und fand immer mehr Krümel im Astronomiekuchen. Auf der Arbeit klappte auch fast nichts und ich fing mir das erste Mal richtig eine ein. Ich war geschockt und konnte es nicht glauben und als er es realisierte, bat er 1000 mal um Vergebung und ich gewährte sie.. Hatte ja vorher schon Respekt vor ihm - aber dies... wegen einer Lappalie... er versprach es nie wieder zu tun und doch geschah es wieder und wieder. Ich schwieg und verzieh...

Von einem Tag zum andern nahm er dann auch sein Rockerleben wieder auf... ich bemerkte diese innere Unruhe schon lange an ihm... und eines Tages, schwupp, genau wie 2 Jahre zuvor - hat er das eine Leben für das andere aufgegeben - aber radikal. Hatte er sich in dies andere reingekniet, kniete er sich auch da wieder rein - noch mehr als vorher.. Noch extremer... Sein Faible zu der Gruppe wurde zum Spleen.. er eiferte denen nach. Hier in seinem Schrank hängen viele T-Shirts und Insignien dieser Gruppe...

Bis an dem Tag, als er erfuhr, dass die mit der andern größten Gruppe in Deutschland "fusionierten" ... seine Welt brach zusammen... Dafür hat er nun seine militärische Welt und wie schon vorher das radikale Umschwenken auf diesen Lebensstil.. Und ich mache es immer wieder mit...

August 1999 hat er mich wieder verprügelt und ich löste mich von ihm.. Dezember 1999 zog ich aus mit den Kindern - jawoll mittlerweile 2 Stück und sogar ein Haus gekauft - und war im Frauenhaus... die meinten, wenn ich zu meinen Eltern kann... und ich machte den Fehler, zu meinen Eltern zu gehen...

Mein Vater hatte sich nicht geändert und es eskalierte... jahrelange Demütigung und Gefühle brachen an meinem 30. Geburtstag aus mir raus... Ich, die ich mich von meinem Mann gelöst hatte - wollte mir von meinem Vater auch nichts mehr bieten lassen und als ich sah, wie er mit meiner Mutter umsprang, da wurde ich wütend und sagte ihm, er solle das lassen. Der größte Fehler meines Lebens, denn mein Vater lässt sich nichts vorschreiben - schon gar nicht von mir...

In mir kam einiges Aufgestaute zum Vorschein und ich knallte ihm all das an den Kopf. Er schaffte es, mich wieder in die Schranken zu weisen und machte mich total fertig - vor seinen Enkelkindern... Ich schnappte die so, wie sie waren - fuhr zu Ihrer Patentante und setzte sie vor der Tür ab... Ich war blind und verzweifelt.

An dem Tag wollte ich mir endgültig das Leben nehmen - bin aber genauso gescheitert wie mit 17 auch. Zum Sterben zu blöde..

Ich kam zu mir und ging meine Kinder wieder abholen - aber da stand das Auto meines Vaters und, was noch schlimmer war, mein Mann war da... Mein Vater war kalt wie eine Hundeschnauze und ich wusste nimmer aus noch ein.. So schaffte es mein Mann, dass ich zu ihm zurückging - geprügelt und seitdem versuchen wir es wieder... Natürlich läuft nicht alles rund - und vieles schief...

Dieser kurze Anriss ist auch nicht die ganze Geschichte - kann es ja auch gar nicht sein - ich habe es sehr gestrafft... es passierte viel viel mehr... Irgendwann vielleicht schreibe ich meine Lebensgeschichte auf... vielleicht - vielleicht auch nicht.. Ich bin was ich bin - nicht mehr - und nicht weniger und versuche das Beste draus zu machen und zu überleben... Dies bin ich meinen Kindern schuldig - denn sie sollen es besser haben als ich - und er - und meine ganze Liebe und Wärme gilt ausschließlich ihnen - solange bis sie mich verlassen und ihr eigenes leben leben...

Mein Leben habe ich nur kurz angerissen... vielleicht im Laufe der Zeit - gebe ich mehr preis... ich habe sehr viel unter den Tisch fallen lassen ich muss es erst selber verarbeiten und bin noch nicht bereit dafür.

[ Engelbert: ich habe dann die Schreiberin des Textes gefragt, ob ich die Worte hier abdrucken darf, ob Ihr Mann mitliest und wenn ja, ob er etwas dagegen hätte. Und wie er darauf reagiert, dass sie in ihrem Blogg ganz offene Worte findet. Die Antwort war: ]

Hmmm, ob er was dagegen hat oder nicht, habe ich ihn nicht gefragt.. Zum Teil, weil es mein Leben ist um das es geht - auch wenn er zum Teil dazu beiträgt, dass es ist wie es ist.. und ich habe mir schon genug zerreden oder madig machen lassen.. Dies ist meine Sache und gerade, weil ich mich alleine fühle, versuche ich irgendwie damit klarzukommen und es zu verarbeiten.

Mut gefasst habe ich durch andere offene Blogs oder Seiten.. früher habe ich ver- und geschwiegen... Stumme Schreie um Hilfe... Klar so ein Blog ist ein öffentlicher Seelenstriptease.. Ich möchte, das die Menschen mich kennenlernen wie ich bin - wer ich bin und hoffe letzendes auf Akzeptanz.

Ich bekam viel Herzlichkeit und Wärme nahegebracht und wie soll ich sagen - mehr als jemals im Realen leben und doch - ich bin doch.. und ich bin doch auch ein Menschlein... kein Monster... mein Vertrauen hat er ja schon öfters zerstört indem er meine Tagebücher unberechtigt gelesen hatte.

Nun lasse ich quasi fast die ganze Welt an mir teilhaben... kreativen Mord hatte er damals bereits begangen als er meine Kladden mit Geschichten, Gedichten u.Ä auf den Sperrmüll schmiss, weil er der Meinung war, das Zeug hat eh nur rumgelegen... diese Texte waren Teil von mir - fast wie eines meiner Kinder... seither kann ich nicht mehr *schreiben* mein Potential ist verraucht...