Heute:

Klaus Ender

77, verheiratet, wohnhaft auf der Insel Rügen

1. Freust Du Dich auf das Weihnachtsfest ?
Jein.
2. Verbringst Du das Weihnachtsfest mit der Familie oder bist Du alleine ?
Nur mit meiner Frau.
3. Ist für Dich die Adventszeit eine Zeit der Besinnung und Erwartung ? Kannst Du Dir die Muße dafür nehmen ?
Ja, aber als Freiberufler kann ich mir diese Zeit immer nehmen - und tue es auch.
4. Wirst Du Plätzchen backen (wenn ja, welche Sorten) ?
Ja, es ist ein einfacher eins-zwei-drei-Teig: 100 gr. Zucker, 200 gr. Butter, 300 gr. Mehl, 1/2 Pck. Backpulver, Salz, Vanille-Zucker, 2 Eier, Zitrone, evtl. 1 Essl. Milch. Gelb-braun backen, mit Zuckerguss, Mandeln, Nüssen etc. belegen bzw. dekorieren.
5. Schreibst Du noch Weihnachtskarten mit Hand ?
Nicht mehr - habe keine Verwandten mehr und geschäftlich schläft der Brauch ein.
6. Wird es bei Dir/Euch in diesem Jahr einen Weihnachtsbaum geben ?
Nein, aber eine große Vase mit Tannenzweigen wird von meiner Frau geschmückt.
7. Wenn ja ... wie wird er geschmückt sein (wie immer ? ... Farbe, welche Lichter, welche Spitze) ?
Silberner Baumschmuck und echtes "Blei Lametta".
8. Wer kauft denn den Baum und wer schmückt ihn ?
Die Ehefrau dekoriert.
9. Kannst Du Dich an einen Weihnachtsbaum mit echten Kerzen erinnern ?
Ja immer, habe nie unechte Kerzen gehabt.
10. Schenkt Ihr Euch etwas ? Wenn ja ... hast Du die Geschenke schon oder kaufst Du sie erst kurz vor Weihnachten ? Sind Geldgeschenke/Gutscheine einfallslos ?
Nein, wir schenken uns nur gegenseitige Aufmerksamkeit. Nach dem 15 Uhr-Kaffee lesen wir uns aus eigenen Büchern Gedichte vor und gedenken der Verstorbenen.
11. Wie wird der Heilige Abend ablaufen ?
Sehr ruhig - evtl. eine unterhaltsame Fernsehstunde mit Klängen aus der Kindheit.
12. Gehst Du am Heiligen Abend in die Kirche ?
Nein, bin ich noch nie gewesen.
13. Dein Wunschwetter für das Weihnachtsfest ?
Tiefschnee und danach Sonnenschein.
14. Kannst Du das Weihnachtsfest genießen oder ist das eher Stress für Dich ?
Es ist fast wie immer, wenn man frei hat. Stress kommt nicht auf.
15. Bekommt dein Haustier auch ein Geschenk zu Weihnachten?
Die Katze meiner Frau lebt nicht mehr und meine Frau sucht sich selbst aus, was sie naschen möchte.
16. Singt Ihr gemeinsam Weihnachtslieder ?
Nicht mehr ... die Stimmen sind zu rauh geworden.
17. Gibt es ein Lieblingsweihnachtslied ?
Still und starr liegt der See.
18. Ist Weihnachten bei Euch ein friedliches Fest (oder gab es auch mal Streit und Ärger) ?
Friedlich - wir haben nur das eine Leben.
19. Welche/s Weihnachtslied kannst du mit mindestens 3 Strophen textsicher singen ?
Einigen wir uns auf "Stille Nacht" - mit 2 Strophen.
20. Hast Du schon eine Idee, was es an den drei Tagen zu essen geben wird ?
Kaninchen und Ente.
21. Kannst/Könntest einen Heiligen Abend alleine gut aushalten ?
Heute ja - früher eher nein.
22. Bist Du schon mal über das Weihnachtsfest im Urlaub gewesen ?
Ja, schon mehrfach - aber immer in den Bergen.
23. Was würdest du einem Kind antworten, wenn es dich fragt "Wie bringt das Christkind die Geschenke in das verschlossene Zimmer?" ?
Der Weihnachtsmann und seine Helfer haben für alle Häuser einen Schlüssel.
24. Wie lange darf es bei Dir Weihnachten sein (wann werden die Weihnachtssachen weggeräumt) ?
Bis Neujahr.
25. Teilst Du noch eine Weihnachtserinnerung mit uns ?

Ja, mach ich ... es war Weihnachten 1957 ... ein einsames Weihnachten.

Ich war Ende Oktober 1957, als die Saison am Bodensee vorbei war und ich als frisch gebackener Bäckergeselle meine Kündigung bekam. Ich verlor dadurch auch mein Zimmer und so war ich unfreiwillig auf Wanderschaft. "Wohin" – fragte der Beamte der Bundesbahn – und ich sagte: Bis dahin wo das Geld reicht und gab ihm meinen letzten 20DM-Schein. Bis Kempten sagte er und ich willigte ein.

Als Volljähriger – mit 18 Jahren im Mai aus der DDR republikflüchtig geworden, den Gesellenbrief nachgeholt, in der BRD zu minderjährig erklärt und einem Vormund untergeordnet, stand ich plötzlich allein da.

Ich ging durch die abendlichen Straßen; hielt vor jedem Bäckerladen an und als mir die Auslagen gefielen, klopfte ich an. Ich wurde eingestellt und mein Leben "im goldenen Westen" konnte beginnen.

Um 4 Uhr begann mein Dienst und ein 10 Stunden-Tag, war an der Tagesordnung und Überstunden wurden nicht bezahlt. Mein Wochenlohn waren 50,- DM und Essen inkl. Quartier.

Es weihnachtete; Gesellen und Lehrling fuhren nach Hause – und ich blieb allein. Das Zimmer kühlte ab, da der Backofen (unter uns) eine Woche nicht beheizt wurde, es ging in die Minusgrade – und jetzt merkte ich, warum die 3 Betten an der Wand Holz-Roste hatten.

Die Wände glitzerten vor Eis – und ich wärmte mich durch das Schippen der Schneemassen auf Hof und Strasse. Heiligabend wurde zum schlimmsten Fest meines Lebens. Im Bett wurde ich nicht warm, auf den Straßen war ich ab 19 Uhr allein und ab und zu grüßten mich Obdachlose, die im Schaufenster die technische Errungenschaft schwarz-weiß-Fernsehen betrachteten.

Um 20 Uhr läuteten die Glocken, in meiner Heimat säßen wir jetzt um den Weihnachtsbaum, sängen Lieder und hätten zum 2. oder 3. mal seit dem 2. Weltkrieg Gänsebraten auf dem Tisch.

Ich begann durchzufrieren und kam hungrig in meiner Bude an. Ich knabberte ein paar Kekse, las zum xten Male den Brief von Mutti – und aus meinem 50 DM-Miniradio ertönte die Stimme von Freddy Quinn ... "Junge – komm bald wieder, bald wieder nach Haus" ... und in Muttis Brief las ich zum x –ten Mal: "Junge, ich habe dir ein Kopfkissen bestickt mit den Worten "Gute Nacht".

War es nun Freddys Lied oder Muttis Worte – ich weiß es nicht mehr, oder waren es Fernweh und Heimweh zugleich ? Ich ließ meinen Tränen freien Lauf – und als ein paar Wochen danach Freddy in Kempten gastierte, saß ich in der 3. Reihe und hatte den Wochenlohn ausgegeben, um ihn zu hören.

Vielen Dank, Klaus, für dieses Interview :)).

 

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