Jeanie erzählt:
Meine Eltern waren selbständig, sie hatten eine Druckerei.
Und da meine Mutter für alles zuständig war, hatte sie auch dementsprechend viel
Arbeit
mit Buchhaltung, Außendienst, Buchbinderei, Einkauf und und und,
sogar an der Druckmaschine musste sie stehen und drucken.
Vor Weihnachten wollte natürlich jeder noch seine Drucksachen haben,
auch wenn die Prospekte und Visitenkarten dann doch nur in der Firma rumlagen.
So blieb es nicht aus, dass meine Mutter auch an Weihnachten bis zur letzten
Minute
arbeiten musste und die Hektik durchs Haus tobte.
Bei uns war es so Brauch, dass "das Christkind" den Christbaum brachte,
so dass meine Brüder und ich erst am Abend bei der Bescherung
den geschmückten Baum mit den brennenden Kerzen sehen durften.
Also musste meine Mutter das alles heimlich machen,
ohne dass wir Drei irgendwas mitbekamen.
Um der Mutter ein bisschen Luft und Zeit zu verschaffen,
hat sich mein Vater uns drei Kinder und den Hund geschnappt
und fuhr mit uns zum Westerharter Weiher.
Das ist ein wunderhübscher, kleiner Weiher, der mitten im Wald in einer kleinen
Senke liegt.
Damals gab es noch richtige Winter mit meterhohem Schnee und einer klirrenden
Kälte,
die die Seen und Weiher in der Umgebung mit einer dicken Eisschicht überzog.
Und so stapften wir vier tapfer durch den hohen Schnee
auf den verlassenen, tief verschneiten und nur zu erahnenden Wegen in Richtung
Weiher.
Das arme Hundle versank oft bis über den Bauch in der weißen Pracht,
hatte aber seinen Spaß im kalten Schnee.
Wir Kinder lieferten uns eine wilde Schneeballschlacht, schlitterten über das
dicke Eis
und staunten über die tief hängenden, dick verschneiten Äste der Bäume.
Das größte Vergnügen war es, unter so einen Ast zu stehen
und einer schüttelte daran, so dass man aussah wie ein Schneemann!
Während wir Kinder uns mit unserem Boxer austobten,
hat unser Vater in der beginnenden Dämmerung heimlich eine Kerze auf einen
Schneehaufen gesteckt
und begann leise mit der Mundharmonika "Leise rieselt der Schnee" zu spielen.
Auf einmal wurden wir Wildfänge ganz andächtig und mit glänzenden Augen
standen wir um das Kerzlein herum und sangen alle Weihnachtslieder,
die wir konnten und zündeten noch ein paar weitere Kerzen an.
Sogar an Wunderkerzen hatte mein Vater gedacht und auch ich Kleine
durfte mit meinen drei oder vier Jahren einen Sternenwerfer selber halten!
Als es dann dunkel war zogen wir, jeder mit einem Licht in der Hand,
ganz still wieder zurück zum Parkplatz und fuhren heim.
Dort wartete bereits unsere Oma, die uns half uns schön anzuziehen.
Ganz aufgeregt verdrückten wir unsere Wienerle mit dem Kartoffelsalat bis es
endlich soweit war
und die Tür zum dunklen Wohnzimmer aufging, das nur vom Schein der Kerzen
am Christbaum erhellt war ... es war Weihnachten ...
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