Männerweihnacht
Eine Geschichte von Seelenfärblerin Birgit L.
Die Geschichte ist in der ich-Form einer jungen Frau geschrieben,
Die Sätze die von dieser Frau gesprochenen Sätze haben
diese Farbe, die vom Nachbar
diese.
Oh nein!
Bitte keine Anrufe!
Nicht heute!
Ich geh nicht ran!
Hör auf damit, ich geh nicht ran!
Aaaach, na gut!
„Hallo?
Ach, Mama!
Du, das ist grad ganz schlecht, ich muss für morgen noch ein paar Sachen
besorgen.
Nein, Mama, ich komme nicht! Das sagte ich schon.
Wir haben das bereits lang und breit besprochen.
Nein, ich kann keinen Freund mitbringen, erstens, weil ich keinen hab, und
zweitens, weil ich nicht komme!
Och nee, nicht jetzt … wart mal kurz, Mama, es hat geklingelt.
Nein, es ist nicht mein Weihnachtsbesuch, den ich nicht mitbringen will!
Moment, Mama, bitte ...
Hi!“
„Hallo, Paket für sie…!“
„Jaja, stellen Sie‘s einfach da hin. Brauchen sie eine Unterschrift?
Okay. Danke. Ja, Ihnen auch ...!
So, bin wieder da.
Nein, Mama, es war die Post!
Und bitte, fang diese Diskussion nicht schon wieder an, das hatten wir alles
schon, und ich hab dafür jetzt wirklich keine Zeit.
Ich verbringe Weihnachten alleine.
Wir sehen uns ein andermal wieder.
Bis dann, Mama. Hab dich lieb!“
Unglaublich!
Es gibt Dutzende von Feiertagen im Jahr, aber um Weihnachten macht sie immer ein
solches Drama ...!
So, was wollte ich jetzt nochmal besorgen?
Crème Fraîche, Feldsalat, Mandarinen ... da war doch noch was, ich weiß es.
Was war das doch gleich?
[Es läutet erneut]
Ne, nicht wirklich, oder?
Wer ist das denn jetzt?
Die Post war doch schon da!
„Hallo?“
Wer ist dieses halbe Hemd?
„Hi. Ich … wollte nur fragen … haben Sie vielleicht
einen Büchsenöffner?“
Einen Büchsenöffner! Okay, das erklärt seine unterernährte Statur.
„Es ist nur … ich bin gestern erst eingezogen, und
... die Wohnung ist noch ne ziemliche Baustelle,
und ... naja, irgendwas muss man ja trotzdem essen.“
Oh! Dann ist das wohl der Kerl, der gestern bis Mitternacht Zeug durchs
Treppenhaus geschleppt hat.
Und offenbar mein neuer Nachbar.
„Ähm … tut mir leid, offenbar komm‘ ich ungelegen
...“
„Nein, schon in Ordnung.
Es ist nur, ich hab seit Jahren keinen Büchsenöffner mehr benutzt.
Keine Ahnung, ob ich überhaupt noch einen habe.
Ich müßte erst mal suchen, und das kann eine Weile dauern.
Wollen Sie so lange warten oder lieber bei jemand anderem nachfragen?“
„Also, um ehrlich zu sein, Sie sind offenbar die
einzige, die zu Hause ist.
Aber lassen Sie‘s gut sein, sie haben heute bestimmt anderes zu tun als nach
Büchsenöffnern zu suchen.
Ich krieg das Ding schon irgendwie auf!
Fröhliche Weihnachten für Sie.“
Und weg ist er.
Komischer Kauz!
Er hat mir nicht mal gesagt, wie er heißt!
Dosenravioli!
Igitt!
Vielleicht sollte ich ihm anstelle des Büchsenöffners den Flyer vom Taj Mahal
rüberbringen.
Oder besser den vom Al Capone? Der hat Familienpizza!
Das war jetzt wahrscheinlich gemein, aber der Kerl sieht wirklich aus, als wäre
er am verhungern.
Vielleicht liegt es auch nur daran, dass seine Arbeitsklamotten so ausgeleiert
sind.
Wo ist denn nun dieser dämliche Büchsenöffner?
Hab ich den wirklich weggeschmissen?
Eigentlich war ich sicher, ich hätte ihn für Notfälle aufgehoben ... aber wo hab
ich ihn nur hingeräumt?
Ha, ich glaub, ich weiß, wo ...!
Na bitte, da ist er ja.
Hier sind die Flyer ... gut, dann retten wir den neuen Nachbarn mal vor dem
Hungertod.
[ wird fortgesetzt ]
weiter