Chaos und Weihnachtsfrieden

Sabine aus Schweden erzählt:

Wenn man mich nach meinem schönsten Weihnachtsfest fragt,
kann ich ohne zu zögern antworten, dass es der Heiligabend vor zehn Jahren war.
Es war nicht nur mein schönster, sondern auch mein chaotischster Heiligabend.
Doch wie passt das zusammen?

Es war das Jahr in dem wir unser erstes Enkelkind erwarteten.
Der Geburtstermin sollte Mitte Dezember sein und die werdenden Eltern hofften sehr,
dass er nicht zu dicht an Weihnachten liegen würde.

Der Plan war, dass wir Heiligabend bei der frischgebackenen, kleinen Familie feiern wollten,
die damals ungefähr eine Autostunde von uns entfernt wohnte.

Hier in Schweden ist es Tradition am Heiligabend das Weihnachtsbuffet aufzutischen.
Es besteht aus vielen verschiedenen kalten und warmen Gerichten.
Ja, es ist ein ziemlicher Arbeitsaufwand, den wir uns normalerweise teilen.
Aber in diesem Jahr übernahmen mein Mann und ich das Zubereiten.
Es wurde gekocht, gebraten und eingefroren.
Kurz vor Weihnachten mussten dann noch die Heringe eingelegt, die Salate fertiggemacht,
der Schinken gekocht und grilliert werden.
Sülze, Brot, Käse, Julgröt und das typische Weihnachtsgetränk Julmust durften auch nicht fehlen.

Am 21. Dezember kam der Anruf ”Nun ist es soweit”.
Mein Sohn und seine Frau waren bereits im Krankenhaus.
An diesem Tag erblickte unser Enkel das Licht der Welt.
Welch herrliche Nachricht!
Normalerweise wird man nach ein bis zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen.
Aber es traten Komplikationen auf.
Die Ärzte waren mit irgendwelchen Werten nicht zufrieden
und plötzlich stand es vollkommen offen, wann die Heimfahrt erfolgen konnte.
Unser Sohn war mehr oder weniger die ganze Zeit bei seiner Familie und hielt uns auf dem laufenden.

Zuhause war inzwischen auch unser jüngster Sohn eingetroffen.
Vielleicht müssen wir ja doch Weihnachten hier bei uns feiern,
ohne die Eltern und ihrem kleinen Sohn?
Aber dann fahren wir am Heiligabend wenigstens eine Weile ins Krankenhaus ... also abwarten ...

Am Vormittag des Heiligabend rief unser Sohn aus dem Krankenhaus an:
”Heute Nachmittag dürfen wir nach Hause fahren!”

Nun kam bei uns eine recht unweihnachtliche Hektik auf.
Gottseidank hatte ich eine Liste geschrieben auf der alles stand, was wir mitnehmen mussten.
In Windeseile wurde gepackt und dann ging es ab zum Krankenhaus,
um dort den Wohnungsschlüssel entgegen zu nehmen.
Am Haus angekommen räumten wir das Auto aus und mein Mann fuhr
zurück zum Krankenhaus um die junge Familie abzuholen.

Meinen jüngsten Sohn und mich erwartete eine Wohnung,
der man deutlich ansah, dass sie in aller Hast verlassen wurde.
Zwar waren die Weihnachtsgardinen und ein großer leuchtender Stern im Wohnzimmer aufgehangen,
aber eine Aufräumaktion war vonnöten.
Auf dem Balkon stand der Tannenbaum immer noch in seiner Netzverpackung.

Wir beschlossen als Erstes den Baum aufzustellen und fanden nach einigem Suchen den Fuß,
die Lichterkette und den Baumschmuck in einem Schrank im Flur.
Da der Baum aber zu groß war, suchten wir nach einer Säge - leider ohne Erfolg.
Und so taten wir das, was man einem Weihnachtsbaum nie antun sollte.
Wir kappten seine Spitze.
Dazu reichte ein größeres Küchenmesser.
Dann stellten wir ihn in den Fuß und richteten ihn aus.
Während mein Sohn mit dem Schmücken beschäftigt war, machte ich
mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit etwas klar Schiff in Wohnstube, Esszimmer und Küche.

Schließlich war der Baum fertig geschmückt.
Alle Kerzen leuchteten und die bunten Kugeln hingen an ihrem Platz.
Während mein Sohn die leeren Kartons wegräumte und mit dem Staubsauger ein Runde durch die Zimmer fuhr,
begann ich das Weihnachtsbuffet vorzubereiten.
Und als auch noch alle Weihnachtsgeschenke unter dem Baum lagen,
konnten wir uns endlich hinsetzen, auspusten und in Ruhe warten.

Dann hörten wir wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde.
Und da waren sie, die Eltern mit ihrem Baby und mein Mann mit allen möglichen Taschen beladen.
Endlich konnten wir den neuen Erdenbürger begrüßen.
Er lag in seinem Auto-Babystuhl und schlief tief und fest.
Die junge Mama war ziemlich erschöpft und zog sich bald ins Schlafzimmer zurück.
Und wir anderen gingen ins Wohnzimmer und konnten die Augen nicht von dem kleinen,
immer noch schlafenden Wunder lassen.

Nach dem Aufwachen wollte natürlich jeder den Kleinen eine Weile auf dem Arm haben.
Doch bald war es Zeit ihn zur Mama zu bringen.

Nein, an diesem Heiligen Abend wurde das Weihnachtsbuffet nicht festlich und dekorativ aufgebaut.
Doch deckten wir den Tisch schön mit Kerzen und ein wenig Weihnachtsdeko.
Das Essen musste man sich aus der Küche holen und dabei dem Opa helfen,
da er seinen Enkel fast den ganzen Abend im Arm hielt.
Und wie wir dann da so zusammen saßen und es uns schmecken ließen,
überkam mich eine herrliche innere Ruhe, ein warmes Glücksgefühl,
das ich wohl mein Leben lang nicht vergessen werde.

Ja, so fühlt sich Weihnachten an!

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