Sabine aus Schweden erzählt uns von ihrem Land:

20. August

Hej på er!

Heute möchte ich Euch von diesem Haus ...



... und seiner Umgebung berichten, weil ich nämlich hier
für drei Tage wöchentlich meinen Arbeitsplatz haben werde.
Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, arbeitete ich bei der Kirche,
unter anderem mit Kindergruppen.
Die herrliche Lage eröffnet natürlich viele Möglichkeiten, den Aufenthalt der Kinder
besonders intressant und abwechslungsreich zu gestalten.

Ringsherum liegen Äcker und Pferdekoppeln
und bis zum Wald oder See sind es nur fünf Minuten zu Fuss.

Das Haus heisst ”Kalmar kyrkskola” (Kirchenschule in Kalmar),



wobei dieses Kalmar  nichts mit der Stadt im Südosten Schwedens zu tun hat,
sondern der Name der Kirchengemeinde ist.

Bis in die fünfziger Jahre war die kyrkskola eine richtige Schule,
in der Kinder verschiedenen Alters in einer Klasse unterrichtet wurden.
Heute dient das ehemalige Klassenzimmer als Gemeindesaal
und in der umgebauten Lehrerwohnung spielen die Kinder.

Zur kyrkskola gehört ein recht grosses Grundstück mit mehreren Gebäuden.
Auch der jordkällare (Erdkeller) ...



... ist dort zu finden.

Da viele Häuser in Schweden nicht unterkellert sind,
findet man solche jordkällare recht häufig - vor allem auf dem Lande.
Die dicke, isolierende Erdschicht auf dem gemauerten Keller
wirkt im Sommer kühlend und hält die Temperatur im Winter über dem Gefrierpunkt.

Nach dem Einzug des Kühlschrankes ist die Popularität dieser Keller
zwar erheblich gesunken aber nicht ganz verschwunden.

In einem Nebengebäude ...



... waren früher Gartengeräte und auch
das Auto des letzten Lehrers untergebracht.

Hinter den drei Türen auf der linken Seite lagen die Toiletten
und von Wasserspülung konnte hier nicht die Rede sein.
Ein beliebter Lausbubenstreich war die Türen von aussen zuzuhaken,
wenn sich jemand auf dem Häusl befand.

Und wenn sich niemand erbarmte, konnte man dort sitzen,
bis es dem Lehrer auffiel, dass nicht alle anwesend waren.

Ich glaube, heute dient die ehemalige Garage
nur noch zur Aufbewahrung der Parkbänke im Winter.

Und auch dieses kleine Häuschen ...



... liegt auf dem Grundstück.

Hier hatten die Jungen früher ihren Werkunterricht.

Die Mädchen mussten zur Handarbeitsstunde in eine andere Schule,
da der Lehrer diese Art Unterricht nicht geben konnte.

Hatte man kein Fahrrad, was damals gar nicht so ungewöhnlich war,
musste man eine Strecke von ca. drei Kilometernzu Fuss gehen.
Und besonders im Winter konnte das recht mühselig sein.

Nachdem dieses Haus zu verschiedenen Zwecken verwendert wurde,
ist es heute wieder eine Werkstatt, in der wir mit den Kindern basteln und malen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Weges liegt das ehemalige Armenhaus.
Hier wurden verarmte Witwen, Waisenkinder und alte Menschen, die sich
nicht mehr selbst versorgen konnten und keine Angehörigen hatten, untergebracht.

Könnt Ihr Euch vorstellen, dass damals die Waisenkinder verkauft wurden?
Ich habe vor einigen Jahren eine ältere Dame kennengelernt,
die als Kind verkauft wurde, wie auch ihre fünf Geschwister.
Diese Wunden sind bei ihr nie geheilt
und die Geschichte hat mich sehr betroffen gemacht.

Nach langem Suchen hat sie als Erwachsene zwei ihrer Brüder wiedergefunden.

Heute sind in diesem Haus die Maschinen und die Büros
und Duschräume der Friedhofsarbeiter untergebracht.

Gleich nebenan liegt die Kalmar kyrka (Kalmaer Kirche):



Sie wurde Ende des 12. Jahrhunderts erbaut.
Die Ursprungskirche war klein, sehr dickwandig und hatte vermutlich keine Fenster.
Ihre Mauern sind bis heute deutlich zu erkennen.
Im Laufe der Jahre wurde die Kirche vergrössert,
bekam Fenster und ein gewölbtes Dach.

1813 verstörte ein Brand fast die gesamte Inneneinrichtung
und den aus Holz gebauten Turm. Erst 1830 hatte man das Geld
für den Wiederaufbau zusammen und die Kirche bekam ihr heutiges Aussehen.

Und nun möchte ich Euch noch etwas auf dem Kirchhof zeigen:



Dieser Gedenkstein steht direkt unter dem Chorfenster der Kirche
und hat mir schon einiges Kopfzerbrechen bereitet.
1950 verunglückten fünfzehn junge Schweden mit "Ormen Friske",
einem nachgebauten Wikingerboot. Einer der Verunglückten
war der Sohn eines damaligen Pastors hier bei uns.

Das Schiff war auf dem Weg nach Rotterdam
und konnte einem Sturm auf der Nordsee nicht standhalten.
In der Nähe von Helgoland brach es auseinander,
vermutlich aufgrund eines Konstruktionsfehlers.

Aber warum der Gedenkstein ausgerechnet bei uns auf dem Kirchhof steht,
und dazu noch an diesem zentralen Platz, und warum die Inschrift
auf Deutsch ist, konnte mir bis jetzt niemand sagen.
Aber ich bleibe am Ball und sollte ich etwas hören,
werde ich es Euch wissen lassen.

Viele Grüsse aus einem leicht herbstlichen Schweden


Vielen Dank für diese megainteressante Reise durch die Vergangenheit
und was davon heute noch erhalten ist :)).



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